Leichtathletiksaison steht im Zeichen von OLYMPIA 2024

Olympia, SaarSport-Magazin

Die Leichtathletik-Saison 2023 läuft gerade an – und schon hat mit Marathonläufer Richard Ringer der erste Athlet eines saarländischen Vereins die Olympia-Norm geknackt. Der Qualifikationszeitraum für die Olympischen Spiele 2024 in Paris hat teilweise schon begonnen und auch das traditionelle Pfingstsportfest des LC Rehlingen nimmt in diesem Jahr eine wichtige Rolle im Wettkampfkalender ein.

Was sonst noch so im Sommer 2023 ansteht, hat Lothar Altmeyer, Präsident des Saarländischen Leichtathletik-Bundes, mit SaarSport-Mitarbeiter Sebastian Zenner besprochen.

Herr Altmeyer, die Leichtathletik-Saison 2023 beginnt im Saarland erst so richtig am Pfingstsonntag mit dem Pfingstsportfest im Rehlinger Bungertstadion. Auf was können sich die Leichtathletik-Fans in diesem Jahr freuen?

Lothar Altmeyer: Das Pfingstsportfest ist in diesem Jahr, weil wir von World Athletics den Silber-Status bekommen haben, ein herausragendes Meeting auf deutschem Boden. Das heißt, dass das Sportfest hochkarätig besetzt sein wird. Coronabedingt war das in den vergangenen Jahren nicht unbedingt der Fall, aber in diesem Jahr werden viele Topathletinnen und -athleten ins Saarland kommen und wir werden herausragende Ergebnisse sehen.

Welche saarländischen Spitzenathlet*innen werden am Start sein?

Altmeyer: Bis Anfang Mai waren Sara Benfares (LC Rehlingen, Anm. d. Red.) über 1.500 Meter sowie die Hochspringerinnen Lea Halmans und Anna-Sophie Schmitt (beide SV GO! Saar 05) im Hochsprung gemeldet. Auch Richard Ringer (LC Rehlingen) wird anwesend sein, aber nicht starten. Die anderen saarländischen Kaderathletinnen und -athleten, darunter auch unsere Top-Sprinterin Laura Müller (SV GO! Saar 05), starten anderweitig.

Auch bei Events wie den Deutschen Aktiven-, U23- und U20-Meisterschaften sowie den Team- und U23-Europameisterschaften hat das Saarland einige Eisen im Feuer. Welche internationalen Teilnahme-Chancen bestehen denn im Nachwuchsbereich?

Altmeyer: Hier haben wir neben Maja Schorr und Ksenia Helios (beide SV GO! Saar 05) im Sprintbereich auch Sofia Benfares (LC Rehlingen) im Laufbereich und Anna-Sophie Schmitt bei den Hochspringerinnen zumindest vier Kandidatinnen, die den Sprung zur U20-EM in Jerusalem schaffen können. Daneben hat sich mit Lennart Zehfeld (LC Rehlingen) ein Läufer aus der Trainingsgruppe Zaar in der nationalen Nachwuchsspitze etabliert und könnte bei gutem Saisonverlauf in den Kampf um die EM-Plätze eingreifen.

Den Saison-Höhepunkt 2023 bilden allerdings die Weltmeisterschaften der Aktiven, die vom 19. bis 27. August in Budapest ausgetragen werden. Welche SaarSportler*innen haben realistische Chancen auf eine Teilnahme?

Altmeyer: Auf der Langstrecke definitiv Sara Benfares und Richard Ringer sowie Laura Müller und Maja Schorr (SV GO! Saar 05) über die 400 Meter. Bei Richard Ringer, der die WM-Qualifikation ja schon in der Tasche hat und auch schon die Olympia-Norm geknackt hat, kann es auch sein, dass er die WM auslässt. Er könnte stattdessen im Herbst noch einmal bei einem Marathon angreifen und seine Zeit weiter verbessen, um seine Chance auf die Teilnahme an den Olympischen Spielen 2024 in Paris noch einmal zu er-
höhen.

Wie stehen die Chancen von 400-Meter-Talent Maja Schorr, in Budapest dabei zu sein?

Altmeyer: Ihr Hauptziel dieser Saison ist die Teilnahme an den U20-Europameisterschaften. Dort möchte sie das Finale erreichen und dann auch um eine Medaille mitlaufen. Ob sich während des Saisonverlaufs noch eine WM-Chance auftut, wird sich zeigen und ist Moment noch schwer abzuschätzen. Man sollte ohnehin in jungen Jahren noch nicht allzu hoch greifen wollen, sonst kann es zu einer Überlastung und auch zu Verletzungen kommen. Von daher wäre es vielleicht besser, sich erst einmal auf die U20-EM zu konzentrieren und in die Region der Staffelplätze vorzudringen, um sich die Chance zu erarbeiten, als Zusatzläuferin mitzufahren und WM-Luft zu schnuppern. Wenn das nicht klappt, wäre es aber auch nicht schlimm. Wenn sie ihre Entwicklung der vergangenen Jahre fortsetzt, ist sie auf jeden Fall eine Kandidatin für die Olympischen Spiele 2024 in Paris.

Das ist auch Laura Müller. Im Herbst 2022 hat sie sich der holländischen Spitzen-Trainingsgruppe um die Weltklasse-Athletin Femke Bol angeschlossen. Welche Bedeutung hat dieser Wechsel für sie?

Altmeyer: Wir sehen ja, dass die Deutschen im 400-Meter-Lauf schon seit Jahren den Anschluss an die europäische Spitze verloren haben. Das musste ja irgendetwas mit dem Trainingskonzept zu tun haben. Von daher ist es für mich absolut zielführend, sich einer solchen Trainingsgruppe anzuschließen, wenn man die Möglichkeit dazu hat. Die nehmen ja auch wirklich nicht jede – schon gar nicht außerhalb ihrer holländischen Spitzengruppe, die ja für sich genommen schon außergewöhnlich stark ist. Dass Laura hier aufgenommen wurde, zeigt, dass sie in Europa zu den Besten gehört. Als solche will sie sich unbedingt für die 400-Meter-Staffel der Frauen und/oder die Mixed-Staffel bei der WM in Budapest qualifizieren. Auch wegen ihrer neuen Trainingsgruppe ist sie guter Dinge, das zu schaffen.

Zuvor wurde Müller vom langjährigen Stützpunkttrainer Uli Knapp betreut. Der wurde als Bundestrainer von seinem Arbeitgeber, dem Deutschen Leichtathletik-Verband (DLV), nach Mannheim beordert, um sich ganz auf Weitsprung-Olympiasiegerin und -Weltmeisterin 
Malaika Mihambo zu konzentrieren.

Altmeyer: Das war für uns natürlich sehr schlecht und ein Extremverlust. Uli Knapp war ein Glücksfall für uns und 30 Jahre lang der Garant für sportlichen Erfolg der Leichtathletik in unserem Land. Wir versuchen alles, um mit den verbliebenen Trainern und Athleten sowie dem neu verpflichteten Landestrainer Sven Zimmermann das Beste herauszuholen – aber eines ist klar: Ein solcher Verlust ist nicht zu kompensieren. Schon gar nicht als kleiner Olympiastützpunkt. Uli war eine Allzweck-Waffe und hat gleich in mehreren Disziplinen Weltklasse-Athletinnen und -Athleten trainiert. Diese Qualitäten gibt es europaweit nicht oft. Ich sehe ihn als einen der fünf besten Leichtathletik-Trainer in Europa.

Wurde seitens des DLV angesichts des schwerwiegenden Verlusts für das Saarland Unterstützung angeboten?

Altmeyer: Nein. Leider hat uns der DLV im Stich gelassen, worüber ich auch sehr enttäuscht bin. Ich hätte eine adäquate Kompensation für Uli Knapp verpflichten können, sofern ich das dafür notwendige Kleingeld gehabt hätte. Unsere bescheidenen Möglichkeiten lassen so etwas nicht zu. Ich habe beim DLV angefragt, aber die nötige Unterstützung nicht bekommen. Einerseits kann ich es verstehen, weil das Athletenpotenzial in unserem kleinen Land nicht so groß ist, dass man eine solche Unterstützung jederzeit rechtfertigen könnte. Aber eine gewisse Kompensation hätte man uns durchaus zusprechen können, sodass wir bei der Verpflichtung einer Nachfolge in den gehobenen Trainerbereich hätten vorstoßen können. Es gab sogar ganz konkret zwei interessierte ausländische Top-Trainer, aber ohne zusätzliche Mittel vom DLV konnten wir nicht tätig werden. 

In der Spitze sind die Auswirkungen durch den Verlust von Uli Knapp derzeit noch nicht sichtbar. Sollten wirklich alle aussichtsreichen Athletinnen und Athleten aus dem Saarland an der WM in Budapest teilnehmen, wäre dies ein neuer Rekord. 

Altmeyer: Schon, wenn es „nur“ zwei schaffen, wäre das schon sehr gut. Die deutsche Mannschaft wird aus etwa 80 Sportlerinnen und Sportlern bestehen. Das Saarland macht etwa ein Achtzigstel der deutschen Bevölkerung aus und so hätten wir bei zwei Teilnehmern schon unser statistisches „Soll“ verdoppelt. Wenn es drei schaffen würden, wäre das hervorragend und bei vieren hätten wir wie schon erwähnt einen neuen Rekord.

Das gilt im Übrigen auch für die Zahl saarländischer Leichtathlet*innen bei Olympischen Spielen. Die vier WM-Kandidaten haben ja auch gute Chancen, 2024 in Paris an den Start zu gehen.

Altmeyer: Maja Schorr und ihr Vater und Trainer Werner Schorr haben das Ziel schon klar formuliert. Natürlich auch Laura Müller und Sara Benfares, die ja in der Nähe von Paris aufgewachsen ist. Richard Ringer hat die Norm schon geschafft, bei fast allen anderen Disziplinen beginnt der Qualifikationszeitraum aber erst am 1. Juli 2023. Im Gegensatz zu manch falscher Berichterstattung in der Presse steht Richard Stand jetzt (Mitte Mai 2023, Anm. d. Red.) auf Platz zwei der deutschen Quali-Liste. Es gibt aber noch drei weitere Läufer, die die Norm schaffen können und der Qualifikationszeitraum dauert noch bis zum Frühjahr 2024 an. 

Wie stehen seine Chancen, dass er auch dann noch zu den drei Schnellsten gehört, die nach Paris fahren dürfen?

Altmeyer: Ich persönlich könnte mir vorstellen, dass er seine 2:08:08 Stunden noch unterbieten muss. Allerdings ist er in Hamburg, wo er diese Zeit gelaufen ist, eher auf Sicherheit gelaufen – also beide Rennhälften im gleichen Tempo. Beim nächsten Mal wird er das Ganze etwas schneller angehen und versuchen, eine 2:07-er Zeit zu laufen. Das würde seine Teilnahme-Chancen noch einmal erheblich steigern.

Vielen Dank für das Gespräch, Herr Altmeyer.