„Die Landesregierung muss den LSVS noch mehr unterstützen!“

SaarSport-Magazin, LSVS

Interview mit den Aufsichtsratsmitgliedern Andreas Julien und Christian Maas.

Andreas Julien und Christian Maas gehören von Beginn an dem Aufsichtsrat des Landessportverbandes für das Saarland (LSVS) an. Beide sind auch Mitglieder im Präsidium des Saarländischen Turnerbunds (STB). Der 40-jährige Julien ist dort Vizepräsident für den Olympischen Spitzensport, Maas (50 Jahre) ist als Vizepräsident für den Turngau Saarbrücken zuständig. Im Gespräch mit dem Magazin SaarSport berichten sie über ihre aktuellen Aufgaben im Aufsichtsrat und ihre Prioritäten für die Zukunft des LSVS.

Herr Maas und Herr Julien, nach der Einstellung der beiden Vorstände und personellen Änderungen in Ihrem Gremium – wie bewerten Sie den Status quo nach zwei Jahren im Aufsichtsrat?

Christian Maas: Für mich persönlich war es eine tolle Sache, an so einem Auswahlverfahren teilzunehmen - von der Erstellung der Ausschreibung bis hin zur Einstellung der beiden Vorstände. Das war schon ein Knackpunkt für den LSVS auf dem Weg zur Selbstständigkeit. Ich fand es auch schön, dass sich nach den jüngsten Rücktritten sofort zwei Nachfolger gefunden hatten, die nicht nur menschlich sehr gut gepasst haben, sondern sich auch mit ihrer beruflichen Expertise hervorragend einbringen konnten. Mit Blick auf die Autonomie sehe ich uns also auf einem guten Weg, allerdings müssen wir auch wieder die Politik ins Boot bekommen und erreichen, dass uns die neue Landesregierung noch mehr unterstützt. Das Sportachtel finanziert uns zwar in einem recht großen Rahmen, aber es werden zusätzliche Mittel benötigt, um die anstehenden Aufgaben erledigen zu können.

Andreas Julien: Ich durfte mich in den vergangenen gut zwei Jahren insbesondere mit zwei Themen intensiver beschäftigen: Zum einen habe ich den Aufsichtsrat in der Satzungskommission vertreten und zum anderen gemeinsam mit David Lindemann die Erstellung einer Geschäftsordnung für den Aufsichtsrat vorangetrieben. Gerade das Erstellen der Satzung war für mich, aber auch für das ganze Team mit viel Arbeit verbunden, und sie fertigzustellen war ein echter Meilenstein. Mit Blick auf die Geschäftsordnung ist es natürlich bedauerlich, dass David Lindemann durch seine neue berufliche Position als Leiter der Staatskanzlei – aus verständlichen Gründen – zurückgetreten ist. Diese Zusammenarbeit war sehr konstruktiv und auch schon weit vorangeschritten. Deshalb sehe ich kein Problem darin, die Geschäftsordnung alsbald fertigzustellen.

Was wird genau in der Geschäftsordnung geregelt?

Julien: Es geht darum, ein internes Werkzeug zu schaffen, um der Arbeit des Aufsichtsrats einen klaren Rahmen zu geben und sie transparent kommunizieren zu können. Konkret wird geregelt, wann Einladungen und Protokolle bei den Gremiumsmitgliedern ankommen sollen, wie Beschlüsse gefasst werden – in der Regel mit einfacher Mehrheit – und andere Leitplanken, die wir uns selbst setzen, um in allen, auch unvorhergesehenen Situationen reagieren zu können. Das alles geschieht in enger Absprache mit dem Verbandsjustiziar Patrick Nessler.

Mit welcher Aufgabe sind Sie derzeit betraut, Herr Maas?

Maas: Zusammen mit Margit Jungmann überprüfe und überwache ich auf Grundlage der Arbeitsverträge, dass mögliche Zahlungen an die Vorstände, die aus deren Berufung in Aufsichtsgremien oder Ähnlichem getätigt werden, an die Sportstiftung Saar oder an den LSVS gehen. Dabei geht es nicht um Misstrauen, sondern darum, diese Abwicklung von uns als unabhängigen Aufsichtspersonen transparent nachvollziehbar zu machen. Hierzu werden wir in einer der nächsten Sitzungen ein Konzept vorstellen, das künftig auf der Internetseite des LSVS eingesehen werden kann.

Als der Aufsichtsrat seine Arbeit aufgenommen hatte, war eine gewisse Spaltung innerhalb des LSVS auch nach außen sichtbar geworden. Wie verhält es sich derzeit? Nehmen Sie noch eine inhaltliche Spaltung wahr?

Julien: Ich muss gestehen, dass ich zuvor noch nie Teil eines Gremiums war, in dem in so kurzer Zeit so viele personelle Änderungen stattgefunden haben. Daran sieht man, dass die Institution LSVS und die damit verbundenen Aufgaben sehr komplex und wichtig sind. Ich glaube, inzwischen haben wir uns sehr gut zusammengefunden, wir verstehen uns auch alle sehr gut. Gerade der jüngsten Klausurtagung ging eine fantastische Planung voraus, sie ging reibungslos über die Bühne und es wurden wichtige Beschlüsse gefasst. Die Zusammenarbeit hat sich insbesondere in den vergangenen Monaten noch einmal verbessert. Wir haben einen festen Rhythmus für unsere Sitzungen gefunden und konnten so das Zusammenspiel untereinander, aber auch mit den Vorständen und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des LSVS sehr positiv und vertrauensvoll gestalten.

Maas: Das kann ich so nur unterschreiben. Eine Spaltung kann ich nicht erkennen. Es gibt vielleicht einige Gräben, die noch nicht vollständig zugeschüttet sind. Aber da muss man genauer hinschauen: Es gibt Gräben aus der Vergangenheit, die man möglichst breit und tief belassen sollte, damit keiner auf die Idee kommt, Dinge, die dazu geführt haben, zu wiederholen. Der eine oder die andere erkennt dabei, dass bestimmte, vielleicht in der Vergangenheit gewachsene Forderungen so nicht mehr bewilligt werden. Es wird Einschnitte für den einen oder anderen Verband geben, denn jetzt geht es um das „Wir“. Das ist uns sehr wichtig. Denn nur so wird der Sport als Ganzes gewinnen und genau das ist unser erklärtes Ziel: den Sport im Saarland wieder nach vorne zu bringen.

Das geht, wie bei so vielem, am besten mit finanziellen Mitteln. Eine Kommission arbeitet derzeit an einem neuen Verteilerschlüssel, der sicherlich an mancher Stelle zu Einschnitten führt und dadurch Diskussionsstoff bietet. Steht hier die erste Belastungsprobe in der neuen LSVS-Struktur an?

Maas: Inwiefern spezielle Teilbereiche gesondert gefördert werden können, werden wir erst dann klären können, wenn uns solche finanziellen Mittel überhaupt zur Verfügung stehen. Bevor es so weit ist, müssen die enormen Altlasten vermindert werden. In der letzten Mitgliederversammlung war beispielsweise von acht Millionen Euro Minderkapital in der Bilanz die Rede. Das muss erst aufgearbeitet und nicht mit kreativen Buchungen auf null zurückgeführt werden. Sobald der Vorschlag der Kommission auf dem Tisch liegt, werden wir darüber reden. Klar ist für mich, dass wir darüber hinaus auch die Möglichkeit haben sollten, für besondere Leistungen „on top“-Förderungen leisten zu können. Vielleicht finden wir ja noch einen Fördertopf, der dies möglich macht.

Julien: Es gibt sicher keinen Verband, der finanziell auf Rosen gebettet ist. Deshalb werden die Verbandsvorstände, wie in der Vergangenheit auch, ganz genau darauf achten, wie es hier in Zukunft aussehen wird. Das, was im Rahmen der Mitgliederversammlung angesprochen wurde, hätte man gerne auch im Vorfeld intern besprechen können, anstatt es medienwirksam in der Versammlung aufzubringen. Nichtsdestotrotz sind solche Fragen berechtigt und deshalb hat Heinz König ja auch noch einmal das Wort ergriffen und die Sachlage erklärt. Der LSVS kommt aus einer sehr schwierigen Situation und ist auf dem Weg in ruhigere Fahrwasser. Dabei stehen nicht nur beim Aufsichtsrat, sondern auch bei den Vorständen für Fragen und Anregungen stets die Türen offen.

Maas: Ich würde mich sehr wundern, wenn es nach nur einem Jahr in der neuen Struktur an keiner Stelle mehr knirschen würde. Aber wir haben insbesondere bei den durch die Vorstände vorbereiteten Mitgliederversammlungen festgestellt, dass jeder seine Meinung laut sagen darf und dass dies gehört und ernst genommen wird. Das ist ein wesentlicher Unterschied zu vorher, als kritische Fragen möglichst nicht öffentlich gestellt werden sollten und die Details hinter verschlossenen Türen geregelt wurden.

David Lindemann ist aus einem LSVS-Gremium zurückgetreten, weil seine politische Karriere voranschreitet. Früher lief es eher umgekehrt. Zwar sind auch im Aufsichtsrat Parteimitglieder vertreten, aber ohne nennenswertes politisches Amt oder Mandat. Herr Maas, Sie sind nicht Mitglied einer politischen Partei und haben nach eigenen Angaben mit Politik „nichts am Hut“. Ist es gelungen, den LSVS von politischem Einfluss fernzuhalten?

Maas: Der Rücktritt von David Lindemann zeigt meiner Meinung nach ganz gut, dass das, was man hier wollte, also die Verknüpfung aktiver Parteipolitik und LSVS, gekappt wird. Er wurde zum Leiter der Staatskanzlei berufen und hat im gleichen Moment gesagt, dass er unter diesen Umständen nicht mehr in einem LSVS-Gremium tätig sein kann. Vor dieser Entscheidung ziehe ich drei Mal den Hut. Natürlich bedaure ich sehr, dass er uns als Persönlichkeit mit enormem Fachwissen fehlen wird, aber ich kann seinen Entschluss auf Grundlage unserer Werte absolut nachvollziehen. Es war die genau richtige Entscheidung. Grundsätzlich sehe ich aber die Tatsache, dass jemand in einer Partei vertreten und vielleicht auch kommunalpolitisch aktiv ist, jetzt nicht als großes Problem.

Julien: Auch aus meiner Sicht ist der Rücktritt von David Lindemann ein herber Verlust für den LSVS, weil einfach sehr viel Fachwissen verlorengeht. Aus meiner Sicht spielt die Politik, gleich welcher Farbe das Parteibuch ist, in unserem Gremium überhaupt keine Rolle. Ich selbst bin zwar als Stadtratsmitglied in Saarlouis auf der untersten Ebene ehrenamtlich tätig, trenne aber alle meine gesellschaftlichen Engagements sehr sorgfältig. Etwas anderes wäre es, wenn einer von uns mit einem politischen Amt seine Brötchen verdienen würde. Das ist aber bei keinem der Fall.

Zurück zum Sport. In welchen Bereichen oder bei welchen Vorhaben muss der LSVS Ihrer Meinung nach fortan Prioritäten setzen?

Maas: Für uns beide, die wir ja auch beim Turnerbund tätig sind, ist natürlich eine Lösung im Bereich der Turnhalle sehr wichtig. Das Thema ist seit Jahren auf dem Tisch, geistert schon seit Jahren durch die Presse und letztlich ist nichts passiert und alles am finanziellen Rahmen gescheitert. Inzwischen ist die Turnhalle ein regelrechter Schandfleck - und das in zentraler Lage auf dem Gelände der Sportschule. Für mich persönlich wäre es auch wichtig, dass die Sportschule im Bereich der Energie nachhaltig wird – die vorhergehenden Lieferverträge gaben dazu keinen Anlass. Darüber hat sich vorher noch keiner Gedanken gemacht. Vorstand Joachim Tesche ist dran und hängt sich voll rein, damit auch entsprechende Modernisierungen möglich werden.

Julien: Darüber hinaus ist es einfach wichtig, dass man wieder positiv über den LSVS und vor allem über den Sport im Saarland spricht. Über Erfolge im Spitzen- und im Breitensport beispielsweise. Ich habe das Gefühl, dass wir hier auf einem sehr guten Weg sind, und ich hoffe, dass dies auch die Gesellschaft durchdringt.

Eine gute Gelegenheit dafür bietet der Kontext der Olympischen Sommerspiele in Paris 2024. Hierzu hat der LSVS-Vorstand auch schon eine Strategie im Kopf. Was halten Sie von der Idee, die Spiele gezielt für die Weiterentwicklung und Vermarktung des Sportstandortes Saarland zu nutzen?

Maas: Ich finde diese Idee super und absolut unterstützenswert. Noch nie waren Olympische Spiele so dicht an uns dran, wie es 2024 der Fall sein wird. Selbst München ist ein paar Kilometer weiter weg als Paris. Es wäre wünschenswert, dass wir Spitzensportler im Zuge der Spiele in unsere Unterkünfte und überhaupt an die Sportstätten unserer Sportschule locken könnten. Es ist aber auch klar, dass wir dafür das Gelände voranbringen müssen. Hierzu und perspektivisch, um unsere Verbände besser unterstützen zu können, müssen wir weitere Geldmittel auftreiben. Nicht nur für den Spitzen-, sondern auch für den Breitensport. Es ist ganz wichtig, dass wir Bewegung für alle anbieten und dabei auch, zusammen mit unseren Fachverbänden, das große Thema Inklusion angehen. Die dafür nötige Unterstützung, insbesondere für kleinere Verbände, sollten wir geben.

Julien: Im Prinzip kann ich dem nicht mehr viel hinzufügen. Das A und O der nächsten Zeit wird das Thema der Finanzierung der Verbände sein. Wir müssen dafür sorgen, dass auch in Zukunft qualitativ hochwertige Trainerinnen und Trainer, aber auch Sportlerinnen und Sportler ins Saarland kommen und hier Erfolge einfahren können. Dafür bieten die Olympischen Spiele in Paris als Mega-Event eine riesige Chance, die wir nutzen sollten.

Vielen Dank für das Gespräch, Herr Julien und Herr Maas.

Interview: Sebastian Zenner