Das Team Saarland für Paris ist bereit

Sportstiftung Saar, Olympia, Leistungssport, LSVS

Das Paralympics- und Olympia-Jahr 2024 in Paris und mit der wohl größten Bedeutung für das Saarland rückt näher. Das Land und auch der LSVS als Vertreter des organisierten Sports haben sich mit ihren Initiativen auf den Weg gemacht, die Spiele in Paris für sich zu nutzen.

Das „Team Saarland für Paris“, also die Sportlerinnen und Sportler mit Aussicht auf eine Teilnahme an den Spielen, wurde Ende August von Prof. Dr. Klaus Steinbach, Vorsitzender des Vorstands der Sportstiftung Saar, und seinem Stellvertreter, LSVS-Vorstand Johannes Kopkow, präsentiert. Im Gespräch mit SaarSport-Mitarbeiter Sebastian Zenner erläutern beide den aktuellen Stand der Dinge rund um ihre „Paris-Strategie“.

Herr Prof. Dr. Steinbach und Herr Kopkow, wie sehen Sie den aktuellen Stand der Planungen und Umsetzungen rund um die „Olympia-Strategie“ des Landes und des LSVS? Welche Vorhaben und Maßnahmen sind bereits abgeschlossen? 

Prof. Dr. Klaus Steinbach: Das Konzept der „Olympia-Strategie“ ist nach meiner Einschätzung gut vorbereitet und auch bis jetzt gut umgesetzt worden. Die internationale Nachfrage bestätigt die Attraktivität des Sportstandorts Saarbrücken. Gleichzeitig sind wir sehr positiv überrascht von der Förderbereitschaft der saarländischen Unternehmen, die das Team Saarland für Paris 2024 stark unterstützen. Damit geben wir unseren aktuell elf Olympiakandidaten für Paris 2024 einen kräftigen Rückenwind und hoffen, dass sich am liebsten alle - und gerne noch einige mehr - für die Olympischen Spiele 2024 in Paris qualifizieren.

Johannes Kopkow: Aktuell haben wir, was die Precamps angeht, also die Vorbereitungs-Trainingslager für die Olympischen Spiele, eine Vollauslastung der Sportschule erreicht. Wir haben sehr viele kleinere Gruppen vor Ort. Von den nationalen Verbänden sind dies Badminton und Triathlon, hinzu kommen einige kleinere internationale Gruppen. Für die hohe Auslastung sorgt aber in erster Linie das internationale Box-Precamp, das bei uns nach aktuellem Stand mit den Nationen Deutschland und Indien durchgeführt wird. Mit Australien wird derzeit intensiv darüber gesprochen, ob sie sich diesem Camp anschließen wollen. Im Anschluss wird mit einzelnen Athleten aus verschiedenen Nationen so aufgefüllt, dass in jeder Gewichtsklasse genügend Athleten vor Ort sind, um ein sinnvolles Camp mit entsprechenden Sparring-Bedingungen durchführen zu können.

Wie sind aus Ihrer Sicht die bisherigen Maßnahmen und Kampagnen angelaufen? Sehen Sie das Thema „Paris“ öffentlich – und damit auch in den Vereinen und bei möglichen Kooperationspartnern – wahrgenommen und medial angemessen vertreten?

Prof. Dr. Steinbach: Die Kampagne ist gut angelaufen. Die Wahrnehmung in der Öffentlichkeit wird sich in den nächsten Monaten noch deutlich steigern. Dazu helfen uns die saarländischen Medien sicherlich intensiv. Wenn die Sommersportler in die ersten Vorbereitungswettkämpfe 2024 einsteigen, da wünschen wir uns, dass die sportbegeisterten Saarländer den Weg unserer Athleten intensiv begleiten.

Johannes Kopkow: Was unseren, den sportlichen Bereich betrifft, kann ich sagen, dass die Verkündung des „Team Saarland für Paris“ der mit Abstand bestbesuchte Pressetermin der vergangenen zweieinhalb Jahre auf unserem Gelände war. Das zeigt das hohe öffentliche Interesse im saarländischen Sport, für das wir aber auch einiges getan haben. Die Idee, ein solches Team aufzustellen und unsere Sportlerinnen und Sportler auch finanziell unterstützen zu können, dass sie sich bestmöglich auf ihren Sport und die Qualifikation für die Olympischen Spiele konzentrieren können, ist bereits vor über einem Jahr entstanden. Es gab bisher auch noch nie eine so hohe individuelle Förderung für Athletinnen und Athleten.

Herr Kopkow, wie kommt der Ausbau bzw. wie kommen die nötigen Sanierungen und Modernisierungen an der Landessportschule voran?

Johannes Kopkow:  Aktuell spielen für uns drei Themen eine große Rolle: Zwei davon, die komplette Erneuerung des Leichtathletik-Stadions und der große neue, komplett ausgestattete Kraftraum in der Leichtathletik-Halle, der von der Leichtathletik, aber auch von Badminton, Tischtennis und Triathlon genutzt wird, konnten bereits abgeschlossen werden. Die dritte Baumaßnahme hat gerade begonnen und wird im Frühjahr 2024 abgeschlossen werden: Der neue Regenerationsbereich im Max-Ritter-Haus, wo wir die Umkleiden runderneuern werden und dazu eine komplette Sauna, eine Infrarot-Kabine, zwei Kältebecken, einen Ruheraum, einen Außensitz und Massage-Möglichkeiten installieren werden. Der Bereich wird nicht nur rechtzeitig vor dem Beginn der Precamps fertig sein, sondern uns nachhaltig für die nächsten Jahrzehnte einen ganz neuen Standard bieten, als es bisher der Fall war. Darüber hinaus werden wir bis zum Frühjahr 2024 zwei unserer Übernachtungshäuser innen komplett neugestalten, also von neuen Böden bis zum Mobiliar alles neu einrichten. Unter anderem werden alle Zimmer mit Matratzen von unserem Kooperationspartner, der im Sport sehr bekannten Firma Blackroll, ausgestattet. Wir wollen damit nicht nur die Qualität unserer Übernachtungsmöglichkeiten auf ein neues Level heben, sondern auch die Kapazitäten erhöhen, was uns beispielsweise mit Blick auf künftige Lehrgänge an unserem SPORTCAMPUS sicher nachhaltig zuträglich sein wird.

Seit einiger Zeit macht die Meldung die Runde, dass die Schnellzugverbindung nach Paris – und damit ein wesentliches Argument der Strategie – künftig nicht mehr über Saarbrücken laufen wird. Wie beurteilen Sie hier den Stand der Dinge und welche Auswirkung hätte dies auf die Strategie?

Prof. Dr. Steinbach: Wir sind zuversichtlich, dass eine mögliche Strategie-Änderung bezüglich der Schnellzugverbindung nach Paris frühestens 2025 endgültig entschieden wird, und wir hoffen, dass die Entscheidung dann für die Verbindung Berlin–Frankfurt–Saarbrücken–Paris fällt.

Zum Sportlichen: Während es bei manchen Sportarten hapert (Leichtathletik, Fußball), überraschen dieser Tage andere (Eishockey, Basketball). Wie bewerten Sie die aktuelle Entwicklung des Sports in Deutschland und inwiefern kann bis Paris bei den „Sorgenkindern“ der Bock umgestoßen werden?

Prof. Dr. Steinbach: Aktuell gilt es, die Olympiakandidaten für Paris 2024 so gut wie möglich zu unterstützen und sie konkurrenzfähig für die Olympischen Spiele zu machen. Dennoch muss man sich bewusst machen, dass der Leistungssport ein Spiegelbild der Gesellschaft ist und hier liegt viel Potenzial für mehr Zuversicht. Das Motto der Deutschen Sporthilfe lautet: „Leistung – FairPlay – Miteinander“. Das ist auch ein gutes und tragfähiges Motto für unsere Gesellschaft.

Johannes Kopkow: Natürlich ist der Leistungssport in Deutschland aktuell an vielen Stellen sanierungsbedürftig. Das hat man übrigens nicht erst jetzt erkannt, wo öffentlichkeitswirksam schlechte Ergebnisse diskutiert werden. Wir müssen auch davon ausgehen, dass wir uns noch nicht auf der Talsohle der sportlichen Leistungsfähigkeit unseres Landes befinden, sondern dass es erst einmal noch weiter nach unten gehen wird - trotz solch überragender positiver Beispiele wie jüngst bei der Basketball-WM. Man hat diese Situation schon früher erkannt und sich vor etwa einem Jahr mit dem DOSB und anderen Organisationen auf den Weg gemacht, gemeinsame Lösungen zu finden, wie man den Spitzensport in Deutschland neu aufstellen könnte. Für mich ist deshalb nicht einfach alles schlecht, sondern man hat es relativ früh erkannt und erste richtige Schritte eingeleitet. Wenn man es schafft, die Sportkompetenz in den Sport zu geben und die Finanz- und Fachkompetenz beim Bundesministerium des Innern und für Heimat, kann daraus durchaus etwas werden. Hier sehe ich einen Silberstreif am Horizont.

Apropos Silberstreif. Befürworten Sie ein konkretes Medaillenziel? Falls ja: Welche Anzahl erhoffen Sie sich für Deutschland?

Prof. Dr. Steinbach: Leistungssportler tun alles dafür, um im Wettkampf und insbesondere bei Olympischen Spielen das Beste zu erreichen. Ein konkretes Medaillenziel ist als zusätzliche Motivation nicht erforderlich. Der deutsche olympische Sport hat die Ambitionen, zu den Top 5 Nationen bei den Olympischen Spielen 2024 in Paris zu zählen. Dieses Ziel zu erreichen ist schon schwer genug.

Johannes Kopkow: Für mich greift es viel zu kurz, den Erfolg bloß an der Medaillenzahl festzumachen. Es gibt so viele Dinge, die bei der Bewertung der Leistung eine Rolle spielen: Wie lief die Saison bisher? Wurde gerade erst eine Verletzung überstanden? Wie kann man mit dem Druck umgehen? Es gibt auch hinter den ersten drei Plätzen großartige Platzierungen und Raum für Erfolge und persönliche Verbesserungen. Man muss sich klarmachen, dass hier nur die absolute Weltspitze unterwegs ist und die Leistungsdichte in den meisten Sportarten und Disziplinen so hoch ist, dass Millimeter oder Millisekunden darüber entscheiden, ob es eine Medaille wird oder nicht. In Bezug auf unsere saarländischen Sportlerinnen und Sportler geht es uns in erster Linie darum, so viele wie möglich zu qualifizieren. Der eine oder die andere hat natürlich die Möglichkeit, etwas mehr zu erreichen als andere. Das wünschen wir uns – aber für die Sportlerinnen und Sportler und nicht für das Saarland.

Mit Blick auf das „Team Saarland für Paris“, dem derzeit elf Athletinnen und Athleten angehören, wurde bereits gesagt, dass es sich noch um den einen oder die andere Athlet*in erweitern könnte – beispielsweise Sprinterin Laura Müller, Triathlet Lasse Priester oder Fechter Fabian Braun. Dennoch die konkrete Frage: Warum wurden beispielsweise die beiden hochtalentierten Turner Daniel Mousichidis und Maxim Kovalenko nicht benannt, die ja im Sommer bei der Deutschen Meisterschaft der Aktiven so stark auftrumpften? 

Prof. Dr. Steinbach: Um Mitglied im Team Saarland für Paris 2024 zu werden, ist es nicht nur erforderlich, bei nationalen Meisterschaften ganz oben zu stehen, sondern hier ist die internationale Qualität ein wichtiger Maßstab. Die Sportstiftung Saar ist bei einer entsprechenden Weiterentwicklung der Leistungsfähigkeit möglichst vieler zusätzlicher Sportler gerne bereit, die zusätzliche Förderung ebenfalls zu gewähren. 

Betrachtet man das sportliche Potenzial: Wie groß könnte der tatsächliche „saarländische Kader“ für Paris im besten Falle sein?

Prof. Dr. Steinbach: Wir müssen realistisch bleiben. Im besten Falle qualifizieren sich alle unsere Kandidaten für die Olympischen Spiele in Paris 2024. Doch das wird wahrscheinlich nicht genau so kommen. Ich persönlich rechne mit acht bis zehn saarländischen Sportlerinnen und Sportlern in Paris 2024. 

Johnannes Kopkow: Die Möglichkeit, dass sich noch weitere Athletinnen und Athleten für das „Team Saarland für Paris“ qualifizieren, sehe ich absolut. Das gilt nicht nur für die eben genannten Turner, sondern beispielsweise auch für Badmintonspielerin Linda Efler, die im Damen-Doppel mit Isabel Lohau noch Chancen hat. Wir haben uns vorgenommen, nach jedem Trimester, also alle vier Monate, die Lage neu zu bewerten. Die aktuelle Zusammensetzung gilt bis Ende des Jahres.

Ohne dies als Zielsetzung oder Erwartungshaltung zu verstehen - wo sehen Sie hier Medaillenchancen für das Saarland?

Prof. Dr. Steinbach: Eine gute Medaillenchance hat sicherlich die Triathlon-Mixed-Mannschaft. Und zusätzlich drücken wir feste die Daumen, dass die oder der eine oder andere einen besonderen Sahnetag erwischt und auf das Treppchen kommt.

Johannes Kopkow: Wie eben schon ausgeführt, halte ich nichts davon, vorab Medaillenziele zu formulieren. Aber sicher gehört Tischtennisspieler Patrick Franziska zu den Kandidaten, die, wenn alles normal läuft, eine gute Medaillenchance haben. Natürlich auch Tim Hellwig mit den Triathleten, die vor allem in der Mixed-Staffel große Möglichkeiten haben.

Um abschließend noch einmal auf den Anfang zurückzukommen: Was steht mit Blick auf die gesteckten Ziele und Planungen noch aus und wo hapert es vielleicht noch? Und was bedeutet dies für Sie konkret – was wird Sie in den kommenden Wochen und Monaten diesbezüglich am meisten beschäftigen?

Prof. Dr. Steinbach: Die Sportstiftung Saar wünscht sich, dass unsere besten Sportlerinnen und Sportler über den Winter gesund bleiben und ein gutes Basistraining für die Olympischen Spiele 2024 in Paris durchführen können. In den nächsten Monaten wird sich nach und nach herausstellen, wie viele unserer Kandidaten sich auch tatsächlich für Paris 2024 qualifizieren werden. Dazu drücken wir nicht nur die Daumen, sondern stehen unseren Freunden auch mit Rat und Tat und Hilfe zur Seite.

Vielen Dank für das Gespräch, Herr Prof. Dr. Steinbach und Johannes Kopkow.