Den plötzlichen Herztod im Sport erforschen

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Jeder hat schon mal von einem solchen Fall gehört: Ein junger Mensch fällt während oder kurz nach dem Sport plötzlich um und ist tot. Der sogenannte plötzliche Herztod tritt in ein bis drei pro 100.000 Fällen bei jungen Menschen auf, ist also äußerst selten. Dr. med. Florian Egger, Facharzt für Innere Medizin und Sportmedizin, forscht am Institut für Sport- und Präventivmedizin zu genau diesem Thema. Zusammen mit seinem Chef, Institutsleiter Prof. Dr. Tim Meyer, will er das Saarland zur Modellregion erklären, um die Ursachen für den plötzlichen Tod herzgesunder Menschen im Sport genauer zu erforschen.

Der jüngste Fall, der weltweit für Schlagzeilen sorgte, ist der des dänischen Fußball-Nationalspielers Christian Eriksen. Er erlitt während eines Spiels im Rahmen der Europameisterschaft 2021 einen Herzstillstand. Nur weil ein Intensivmediziner umgehend lebensrettende Maßnahmen eingeleitet hatte, überlebte der 29-jährige Fußballprofi. „Im Amateurfußball wäre die Überlebenschance deutlich geringer gewesen“, ist Florian Egger sicher. „Die meisten Menschen erkennen den Ernst der Lage nicht und beginnen nicht direkt mit der Herzdruckmassage. Stattdessen werden die Betroffenen in die stabile Seitenlage gelegt und auf den Rettungsdienst gewartet“, berichtet Egger und ergänzt: „Bleibt eine Person nach einem Kollaps länger als ein paar Sekunden bewusstlos, sollte man sofort mit der Herzdruckmassage beginnen. Beim Herz-Kreislauf-Stillstand zählt jede Sekunde. Bereits wenige Minuten ohne Blut- und damit Sauerstoffzufuhr können zu bleibenden Hirnschäden führen.“ Egger stellt klar: „Man kann nichts falsch machen. Falls einer dennoch bei Bewusstsein sein sollte, dann wehrt sich derjenige schon gezielt.“

Bereits 2012 entstand die Idee, Todesfälle im Sport wissenschaftlich zu untersuchen. Zunächst ging es darum, die Fälle zu sammeln, zu zählen und eine Übersicht der Todesursachen, des Alters der Verstorbenen und der Sportarten, bei denen sie verstorben sind, zu erstellen. In der Folge richteten die Saarbrücker Wissenschaftler ein Melderegister ein, an dem verschiedene Institutionen deutschlandweit mitwirken: Krankenhäuser, Sportmediziner, der Rettungsdienst, Rechtsmediziner und auch Privatpersonen, beispielsweise aus Sportvereinen, die entsprechende Fälle anonym melden. Möglich ist dies online nach wie vor unter: www.uni-saarland.de/fakultaet-hw/scd/form. Darüber hinaus durchforstet das Team mithilfe von Such-Algorithmen die internationale Presselandschaft nach entsprechenden Schlagworten.

„Das Problem ist, dass uns viele Fälle gar nicht erst gemeldet werden. Auch weil die Leute deutschlandweit nicht wissen, dass es das nationale Register für Todesfälle im Sport überhaupt gibt“, klagt Florian Egger. Um die hohe Dunkelziffer zu beleuchten, möchten die Forscherinnen und Forscher das Saarland alsbald zur Modellregion erklären. „Im Saarsport kennt jeder jeden und alles läuft auf kurzen Wegen. Die Chance, hier aussagekräftige Erkenntnisse durch nahezu lückenlose Datengrundlage zu erzielen, ist recht groß“, ist Egger sicher und hofft, in ein paar Jahren auf dieser Grundlage eine Inzidenz für den plötzlichen Herztod im Sport bestimmen zu können. Vorausgesetzt, alle machen mit. Auch in den Sportvereinen.

Der Sportmediziner erhofft sich auch eine Antwort auf die Frage: Was ist vermeidbar und was nicht? Während gegen genetische Erkrankungen (noch) kein Kraut gewachsen ist – oder besser: weil bisher wenig medizinische Ansätze zur Prävention des plötzlichen Herztodes bestehen –, hätte so manche Herzmuskelentzündung, die nicht selten auf übergangene Erkältungserkrankungen zurückzuführen ist, verhindert werden können. Selten können auch ausgeprägter Schlafmangel oder exzessiver Koffeinkonsum vor Sportereignissen zu tödlichen Ereignissen führen. Sie stellen also einen Auslöser (sog. „Trigger“) für bösartige Herzrhythmusstörungen dar. Junge Sporttreibende, die in der Nacht vor einem Wettkampf kaum geschlafen haben und vor dem Start einige Koffein-Shots zu sich nehmen, können so eine Herzrhythmusstörung provozieren. Gleiches gilt beim Einsatz diverser Substanzen zur vermeintlichen Leistungssteigerung und insbesondere im Amateursportbereich, wo die Akteure nicht medizinisch begleitet werden. „In manchen Ländern, beispielsweise in der Schweiz und in Italien, zeigen Registerstudien, dass klassische Herzinfarkte bei jungen Sportlern mit Ende 30 häufiger vorkommen als bisher gedacht“, sagt Egger. „Feststellen lässt sich das Verteilungsmuster der Ursachen in Deutschland eben nur mit einer soliden Datenbasis.“ Zu den schon bekannten Ursachen des plötzlichen Herztodes gehören beispielsweise ein verdickter Herzmuskel, elektrische Herzerkrankungen, Anomalien der Herzkranzgefäße und die Herzmuskelentzündung. „Letztere stellte die häufigste Ursache im Rahmen unserer Registerstudie zwischen 2012 und 2014 in Deutschland dar“, fügt Egger hinzu.

Bei Christian Eriksen konnte bis heute offenbar nicht festgestellt werden, weshalb sein Herz plötzlich aufhörte zu schlagen. „Das sehen wir und andere Forscher in etwa einem Drittel der Fälle: Obwohl die überlebenden Patienten im wahrsten Wortsinn auf Herz und Nieren untersucht wurden, kann keine Ursache gefunden werden“, beschreibt Florian Egger. Gleiches gilt auch für die Autopsie nach einem Todesfall, die nicht selten ohne wegweisenden Befund bleibt. Beim überlebten plötzlichen Herztod ist die Gefahr zu groß, dass sich das Ereignis wiederholt, weshalb man in solchen Fällen auf Nummer sicher geht und einen Defibrillator implantiert. Dieser dient quasi als Lebensversicherung, da er das Herz im Falle von erneuten bösartigen Rhythmusstörungen durch einen Stromschlag in den normalen Rhythmus zurückführen kann.

Zwischen 2014 und 2018 hat die Arbeitsgruppe der Saarbrücker Uni unter Leitung von Dr. Florian Egger im Auftrag des Fußball-Weltverbandes FIFA eine weltweite Studie über den plötzlichen Herztod im Fußball erstellt. Der Kontakt kam über Institutschef Prof. Dr. Meyer, seit vielen Jahren Mannschaftsarzt der deutschen Fußball-Nationalmannschaft und Vorsitzender der medizinischen Kommission der UEFA, zustande. Insgesamt untersuchten Egger und Co. 617 Fälle plötzlicher Herztod-Ereignisse. 142 Personen, rund 23 Prozent, haben überlebt. „Es hat sich gezeigt, dass bei sofortiger Einleitung lebensrettender Maßnahmen über ein Drittel, bei der Anwesenheit von Fachleuten und eines Defibrillators sogar 85 Prozent diese Ereignisse überlebten. Bei einem verspäteten Einsetzen der Maßnahmen waren es weniger als ein Prozent“, berichtet Florian Egger und fordert: „Die Spieler müssen also entsprechend in Wiederbelebungsmaßnahmen ausgebildet sein und es gehören Defibrillatoren auf die Fußballplätze.“ Darüber hinaus appelliert er an alle Sporttreibende – Amateure wie Profis: „Kuriert eure Erkältungen aus!“ Eine Garantie, nicht von einem solchen Schicksalsschlag getroffen zu werden, gibt es nicht. Aber es senkt deutlich die Wahrscheinlichkeit.

Der Fall Eriksen wurde übrigens nicht offiziell an das Saarbrücker Forscherteam gemeldet. Laut Egger ist dies aufgrund einer sehr sensiblen Handhabung von Spielerdaten im Profibereich nicht unüblich. Der Fall hatte auch nicht, wie zunächst erhofft, zu mehr Meldungen anderer Fälle, zum Beispiel im Amateurfußball, geführt. „Aber ich bekomme täglich über zehn Emails, in denen ich nach einem Zusammenhang solcher Herztod-Ereignisse mit Corona gefragt werde“, berichtet Florian Egger und stellt klar: „Wissenschaftlich lässt sich derzeit kein Zusammenhang feststellen. Es gibt nicht mehr und auch nicht weniger Fälle von plötzlichem Herztod als vor den Corona-Jahren.“

Kennen Sie einen Fall von plötzlichem Herztod im Sport? Aktuell oder aus den vergangenen Jahren? Dann melden Sie ihn doch: Das Online-Formular für anonyme Fallberichte für das Herztod-Register im Sport finden Sie unter www.uni-saarland.de/fakultaet-hw/scd/form.