Wann ist ein Übungsleiter kein Beschäftigter des Vereins?

Oder: Die selbständige Tätigkeit!

Grundsätzlich muss ein Verein für Beschäftigte Sozialversicherungsbeiträge abführen. Nach § 7 Abs. 1 Sozialgesetzbuch (SGB) IV ist eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung gegeben bei nichtselbständiger Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.

Bei Übungsleitern und Trainern kommt es immer wieder im Rahmen von Betriebsprüfungen durch die Sozialversicherungsträger zu der Streitfrage, ob der jeweilige Übungsleiter bzw. Trainer selbständig tätig oder Beschäftigter des Vereins ist. In Zweifelsfällen entscheiden die Sozialversicherungsträger in der Regel zu Gunsten des Übungsleiters bzw. Trainers, das heißt zu Lasten des Vereins. Das gilt umso mehr, wenn der Verein eigentlich die Organisation der Trainingsstätte, der Teilnehmer und der Bewerbung übernommen hat.

In einer aktuellen Entscheidung des Landessozialgerichts (LSG) Bremen-Niedersachsen (Urt. v. 01.02.2017, Az. L 2 R 139/16) stellt das LSG unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, Urt. v. 12.02.2004, Az. B 12 KR 26/02 R) klar, dass es im Hinblick auf die rechtliche Einordnung von Lehrtätigkeiten eines Übungsleiters bzw. Trainers keinen Unterschied zur Tätigkeit eines Lehrers sieht. Deshalb könne die Tätigkeit nicht allein deshalb als abhängige Beschäftigung angesehen werden, weil der Bildungsträger den äußeren Ablauf der Lehrtätigkeit bestimmt. Der Lehrbetrieb könne regelmäßig nur dann sinnvoll von statten gehen, wenn die vielfältigen Lehrveranstaltungen in einem Gesamtplan räumlich und zeitlich aufeinander abgestimmt werden. Allein aus einer in diesem Sinne geminderten "Autonomie" der Dozenten oder allein aus der Tatsache, dass Dozenten sich bei der Gestaltung ihres Unterrichts an Prüfungserfordernissen ausrichten müssen, dürfe nicht auf ihre Weisungsgebundenheit geschlossen werden.

Weisungsfrei sind nach Auffassung des LSG vielmehr auch solche Tätigkeiten, bei denen einem Beschäftigten zwar die Ziele seiner Tätigkeit vorgegeben sein können, jedoch die Art und Weise, wie er diese erreicht, seiner eigenen Entscheidung überlassen bleibe.

Im vom LSG zu entscheidenden Fall waren von Seiten des Vereins lediglich Einzelheiten des äußeren Ablaufs der Lehrtätigkeit vorgegeben worden. Der Verein hat für jeweils einen Zeitabschnitt ein Kursangebot mit zeitlichen Vorgaben hinsichtlich der wöchentlichen Übungszeiten ausgearbeitet und den in Betracht kommenden Honorarkräften mitgeteilt. Diese konnten sich dann für die Übernahme einzelner dieser Kurse entscheiden (wobei die tatsächliche Durchführung der Kurse jeweils von einer ausreichenden Zahl angemeldeter Teilnehmer abhing). Soweit sich bedingt durch Urlaub oder Krankheit eines Übungsleiters die Notwendigkeit einer Vertretung ergab, erfolgte jeweils eine gesonderte Absprache zwischen dem Verein und der Vertretungskraft.

Konkrete inhaltliche Vorgaben für die Lehrtätigkeit hat der Verein den Übungsleitern nicht gemacht. Es waren vielmehr nur allgemeine Ziele festgehalten, wonach insbesondere auch unter Berücksichtigung der Erfordernisse der Kursteilnehmer etwa Ausdauer und Kraft zu verbessern, das Selbstbewusstsein der Kursteilnehmer zu stärken und Selbsthilfepotentiale zu aktivieren waren. Damit blieb es, so das LSG, gerade der inhaltlichen Entscheidungsfreiheit der einzelnen Übungsleiter überlassen, selbst über die Art und Weise zu entscheiden, wie diese allgemeinen Zielvorgaben in dem jeweiligen Kurs jeweils am besten erreicht werden konnten.

Der Verein war außerdem nach den getroffenen Vereinbarungen und nach der praktischen Ausgestaltung des Übungsleiterbetriebes nicht berechtigt, einseitig die Übungsleiter zur Übernahme anderer als der vereinbarten Kurseinheiten zu verpflichten, von ihnen die Vertretung einer verhinderten Kollegin zu verlangen, sie für andere als die vereinbarten Kurse einzusetzen, die Teilnahme an Konferenzen, Sprechtagen und Veranstaltungen anzuordnen oder von ihnen die Erfüllung sonstiger Nebenpflichten zu verlangen.

Wichtig ist die Entscheidung des LSG, dass die Annahme einer selbständigen lehrenden Tätigkeit insbesondere nicht davon abhänge, dass ein eigenständiger Marktauftritt der betroffenen Lehrkraft erfolgt. Denn auch außerhalb des Sports wären selbständige Tätigkeiten von Lehrern anerkannt, welche nicht selbst am Markt werbend auftreten.

Fazit: Es kommt im Einzelfall auf den zwischen dem Verein und dem Übungsleiter bzw. Trainer geschlossenen Vertrag an. Entscheidend ist nicht, dass von beiden Seiten erklärt wird, dass die Beschäftigung eine selbständige sein soll. Entscheidend ist insbesondere, dass nach dem Vertrag dem Übungsleiter bzw. Trainer genügend Gestaltungsspielraum für die Art und Weise der Zielerreichung gegeben ist.

Stand: 19.04.2017

Rechtsanwalt Patrick R. Nessler ist Inhaber der RKPN.de-Rechtsanwaltskanzlei Patrick R. Nessler, St. Ingbert. Er ist tätig auf den Gebieten des Vereins-, Verbands- und Stiftungsrechts, des Gemeinnützigkeitsrechts sowie des Kleingartenrechts. Außerdem unterrichtet er als Rechtsdozent an verschiedenen Bildungseinrichtungen, u.a. an der Deutschen Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement, und für eine ganze Reihe von Organisationen.

Rechtsanwalt Nessler ist Justiziar des Landessportverbandes für das Saarland und ehrenamtlich tätig in verschiedenen Gremien des Deutschen Betriebssportverbandes. Seit 2004 ist er bereits dessen Generalsekretär. Darüber hinaus ist er der Fach-Experte für Rechtsfragen bei der Landesarbeitsgemeinschaft Pro Ehrenamt, Mitglied der Arbeitsgruppe Recht sowie des wissenschaftlichen Beirates des Bundesverbandes Deutscher Gartenfreunde und Verbandsanwalt des Landesverbandes Saarland der Kleingärtner, Mitglied der Kommission „Finanzen“ des Bundesverbandes Deutsche Tafel e.V., Mitglied des Ausschusses „Recht und Satzung“ des Landessportbundes Berlin e.V. u.a.


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