„Es ist wichtig, dass alle den Silberstreif am Horizont sehen“

Heinz König wurde Ende Januar 2020 zum Vorsitzenden des Aufsichtsrates des Landessportverbandes für das Saarland (LSVS) gewählt.

Erste Aufgaben des Aufsichtsrates waren die Auswahl und die Benennung der beiden hauptamtlichen Vorstände, die in der neuen LSVS-Struktur die Geschäftsführung bilden sollen. Mit Inkrafttreten ihrer Arbeitsverträge zum 1. Februar 2021 löste der Vorstand das Präsidium als Geschäftsführung des LSVS ab, die Umstrukturierung nach dem sogenannten LSVS-Gesetz ist seither vollzogen. Heinz König ist nun offiziell Präsident des LSVS und der Aufsichtsrat hat als Fachaufsicht die Kontrolle der Geschäftsführung übernommen. Im Gespräch mit SaarSport-Mitarbeiter Sebastian Zenner spricht König über die ersten Wochen und Monate in der neuen LSVS-Struktur.

Herr König, der Vorstand ist eingestellt, die im LSVS-Gesetz vorgesehene Neuordnung ist hergestellt. Sind Sie mit dem Ablauf des Transformationsprozesses zufrieden?
Heinz König:
Im Grunde ist all das eingetreten, was wir schon im Sommer 2020 an dieser Stelle besprochen hatten. Trotz aller Bedenken und sonstiger Vorstellungen wurde alles umgesetzt, was das LSVS-Gesetz vorgegeben hatte. Die Übergabe erfolgte auf Anregung des Aufsichtsrates in einem geordneten Prozess. Das heißt, das ausscheidende Präsidium hatte ein ausführliches Übergabeprotokoll erstellt, ergänzt um den schriftlichen Bericht des Chief Restructuring Officer (CRO). Es folgte unmittelbar eine Generaleinweisung der beiden Geschäftsführer. Aus den Fachverbänden und aus der Belegschaft kommen positive Rückmeldungen, insbesondere auch wegen der neuen Art und Weise der Kommunikation. Offenbar wurden nun Dinge 
angestoßen, die während des Sanierungsverfahrens, aber auch zuvor vermisst worden sind.

Im von Ihnen angesprochenen Sommer 2020 gab es eine öffentliche Schlammschlacht zwischen Ihnen und dem damaligen Präsidium unter anderem über die Rolle von LSVS-Sanierer bzw. CRO Michael J. W. Blank. Seitdem ist es dem Vernehmen nach ruhiger geworden. Was hat sich getan?
König: Es geht darum, den Übergang vernünftig und für alle verträglich abzuschließen. Es steht außer Frage, dass jeder bisher das getan hat, was er aus seiner Sicht für richtig gehalten hat. Mit der Einstellung der Vorstände hat sich die Situation spürbar entspannt. Das neue LSVS-Gesetz befindet sich in der Umsetzung und wir sind der Auffassung, dass dadurch die alte Geschäftsgrundlage aus der Zeit vor dem neuen Gesetz entfallen ist. Die Bestimmungsurkunde aus dieser Zeit existiert allerdings noch. Deshalb hat der Aufsichtsrat in seiner jüngsten Sitzung am 19. März 2021 einstimmig beschlossen, dass der Vorstand die Landesregierung bitten soll, die Bestellungsurkunde des CRO mit Ablauf der Probezeit der Vorstände Ende April 2021 zurückzunehmen. Damit soll gewährleistet werden, dass die Rechtskonstruktion mit dem haftenden Vorstand und dem kontrollierenden Aufsichtsrat zügig umgesetzt werden kann und die Gesetzeskraft vollständig hergestellt wird. Die grundsätzliche Bereitschaft zu diesem Schritt sehe ich bei allen Beteiligten als gegeben an. 

Was gehört zu den dringlichsten Aufgaben der beiden Neuen an der LSVS-Spitze?
König: Unter anderem steht die Umsetzung der im Übergabeprotokoll beschriebenen Aufgaben an. Für die Klärung etwaiger Rückfragen hat sich das ausgeschiedene Präsidium ausdrücklich bereit erklärt. Damit der neue Vorstand sich möglichst bald den Zukunftsaufgaben des Sports im Saarland widmen kann, sollen die Verfahren gegen frühere Funktionsträger, die in den vergangenen zwei Jahren im Rahmen des Finanzskandals angestrengt wurden, und damit einhergehende Kosten für den Landessportverband und deren Erfolgsaussichten rechtlich begutachtet werden. Hier müssen wir zu einer Einschätzung kommen, inwieweit die Bemühungen in diesem Bereich zielführend sind. Ich habe meine Zweifel, ob es langfristig im Interesse des LSVS liegen kann, wenn sich die neuen Geschäftsführer mit einem Großteil ihrer Arbeitskraft mit Dingen beschäftigen sollen, die mehrere Jahre zurückliegen und deren Ausgang für den LSVS möglicherweise nicht Erfolg versprechend ist. Es wäre zweckmäßig, wenn man hier zeitnah zu einem für alle Seiten sinnvollen Abschluss kommt.  Dabei möchte ich ausdrücklich betonen, dass Verfahren, welche rechtlich geboten sind, natürlich auch von der derzeitigen Geschäftsführung mit allem Nachdruck zu verfolgen sind.

Gibt es weitere Dinge, die auf den Prüfstand gestellt werden?
König
: Es steht ja noch eine neue Satzung für die interne Verfasstheit des Verbandes aus. Die Satzungskommission wird einen Entwurf erstellen, zu dem die Organe Stellung beziehen können. Aus meiner Sicht könnte ein Fortschritt im Sinne des Gesetzes sein, wenn Ausschüsse und Kommissionen nur unter zeitlichen Vorgaben mit einer klaren, genau definierten Zielsetzung gebildet werden. So können auch Reise- und sonstige Kosten gespart werden.

Wie geht es nach der Finalisierung der Satzung weiter? Welche Schwerpunkte wird es in der Arbeit der neuen Vorstände geben?
König
: Es ist wichtig, dass alle den Silberstreif am Horizont sehen. Das Ziel war ja, einen Vorstand für Sport und Vermarktung zu finden, der sukzessive zusätzliche Formen der Einnahmequellen aufbauen kann. In einer ersten Phase sollen Gelder akquiriert werden, die notwendig sind, um strukturelle Defizite unserer Immobilien auszugleichen und darüber hinaus, in der zweiten Phase, Gewinne zu erzielen, die in sportliche Aktivitäten investiert werden können. Diese wiederum sollen dann in der dritten Phase, der Konsolidierung, durch geschäftliche Tätigkeiten dazu genutzt werden, dauerhaft eine gewisse Bandbreite an Einnahmen zu erzielen. 

Warum ist es so wichtig, dass der LSVS künftig Gewinn macht?
König
: Wenn man die Mittel, die wir aus dem sogenannten Sportachtel erhalten, inflationsbereinigt betrachtet, stellt man fest, dass dem LSVS im Vergleich zu früher rund sechs Millionen Euro an Kaufkraft strukturell verloren gegangen sind. Hierzu hat der neue Finanzvorstand eine Untersuchung vorgenommen. In diesem Strukturproblem und der Tatsache, dass es in der Vergangenheit nicht als solches erkannt wurde, könnte ein Teil der Ursachen der finanziellen Probleme liegen. Der Finanzvorstand muss jetzt die Gewährleistung dafür liefern, dass kein Geld für Dinge ausgegeben wird, die nicht vereinbart waren. Und er muss in der Lage sein, die innere Organisation so auszurichten, dass sie höchst effizient ist und uns ermöglicht, unser Ziel als Dienstleister zu erreichen: nämlich erfolgreiche Sportlerinnen und Sportler für die nationale und internationale Spitze zu entwickeln und den Breitensport zu sichern.

Das kommt einer Generalüberholung gleich. Wie kann die gelingen?
König
: Das ist die große Herausforderung, vor der unser Verband steht. Um eine solche Transformation umzusetzen, braucht es die Bereitschaft von allen, der Fachverbände und der Mitarbeiter. Meiner Ansicht nach ist diese bei allen vorhanden. In der Vergangenheit war das noch anders. Vielerorts wurde beklagt, dass nicht auf das Know-how der Beteiligten zurückgegriffen wurde. Nach den Beschlüssen des Aufsichtsrates wollen wir ein moderner Arbeitgeber sein. Wir wollen die Aufgaben teamorientiert, aber zielfokussiert angehen. Dieser Transformationsprozess wird noch eine ganze Weile dauern. Auch im Belegschaftsbereich sind noch rechtliche Verfahren abzuschließen – wenn unvermeidbar, dann auch gerichtlich. Aber bis zur Verabschiedung des Haushaltsplans 2022 werden wir auch hier sicher mehr Klarheit haben. Ob wirklich alles so kommt, wie ich es mir in meiner Idealvorstellung ausgemalt habe, steht aber auf einem anderen Blatt. Mein Optimismus ist jedoch ungebrochen.

Die finanziellen Themen bearbeitet Vorstand Joachim Tesche. Johannes Kopkow ist ja als Vorstand für die Themen Sport und Vermarktung zuständig. Was ist darunter genau zu verstehen?
König
: Der Sport, quasi als Produkt, bedingt das Marketing. Der Sportvorstand muss wissen, aus welchem Bereich in nächster Zeit welcher Erfolg möglich ist. Nur dann hat er die Chance, die Thematik marketingtechnisch vorzubereiten. Sowohl für klassisches Sponsoring als auch im Sinne eines Produktverkaufs, um die eben erwähnten zusätzlichen Mittel zu erzielen. Von denen soll letztlich jeder etwas haben. Und auch der, der etwas gegeben hat, soll wieder etwas zurückbekommen. Deshalb ist es richtig, wenn der LSVS, nachdem er aus den Mitteln der Gemeinschaft etwas gegeben hat, an Einzelpersonen oder Gruppen, auch das Recht hat, ideell und materiell etwas von diesen Einzelpersonen oder Gruppen zurückzubekommen.

Sie meinen so etwas wie ein BaFöG für den Sport?
König: Genau. Allerdings würde nur von dem etwas zurückverlangt werden, der auch etwas hat. Eine solche Lösung finde ich besser als eine Donation, also eine Schenkung. Die ist zwar ganz nett, aber im Zusammenhang mit Bereichen, in denen Leistung erbracht werden soll, falsch. Ein einseitiges Geber-und-Nehmer-Verhältnis kann aber, beispielsweise bei einem Vereinswechsel, zu einseitiger Enttäuschung führen. 

Also soll es künftig Verträge geben, die Spitzensportler, die hier gefördert werden, an den LSVS binden und bewerkstelligen, dass sie einen Teil der Förderung zurückzahlen?
König
: Wie sich dies abbilden lässt, muss der Vorstand ggf. im Einzelfall klären. Aber vom Grundsatz her kommt der BaFöG-Gedanke dem schon recht nah. Wichtig sind hierbei allerdings konkrete Zielformulierungen, beispielsweise orientiert an wichtigen Wettkämpfen, die im Erfolgsfall zu Sonderleistungen führen könnten. Auch könnte ein Teil der Erträge aus Kooperationen der Athleten mit externen Sponsoren wieder zum LSVS, den Fachverbänden, den Vereinen zurückfließen, um die BaFöG-Schuld zu reduzieren. Das Ganze wäre ökonomisch, aber auch solidarisch anzugehen. Die oder der Einzelne will die Solidarität des Verbandes und umgekehrt. Ob und wie ein solches Modell ausgestaltet werden kann, ist nicht meine Aufgabe. Als Präsident kann ich nur meine Gedanken einfließen lassen und versuchen, den Vorstand im Rahmen der vom Aufsichtsrat verabschiedeten Leitlinien zu unterstützen.

Inwieweit wird sich im Zuge der Neuausrichtung das Gesicht der Hermann-Neuberger-Sportschule verändern?
König
: Wir untersuchen derzeit anhand der vorliegenden Unterlagen das gesamte Gelände und wollen herausfinden, was im Bestand bleiben soll, was räumlich oder technisch erweitert werden muss, was vielleicht neu gemacht werden muss und was durch Änderungen in der Sportausrichtung am Standort entbehrlich wird. Es können auch neue Orientierungen und neue Nutzungsarten auf dem Gelände entstehen. Ein großer Immobilienbestand ist nur dann ein Nachteil, wenn man sich eine gewisse Zeitlang nicht intensiv damit befasst. Wenn man aber immer nah dranbleibt und den Bestand neuen Bedarfen anpasst, ist es ein unschätzbarer Vorteil für die Sportgemeinschaft. So haben beispielsweise schon meine Vor-Vorgänger darüber nachgedacht, angesichts der Nähe zur Universität Studentenwohnungen zu schaffen. Dies könnte beispielsweise der wirtschaftlichen Auslastung der Mensa dienen. Auch ist ein Ausbau der Internatsplätze von derzeit 28 auf 50 denkbar. Nach aktuellem Stand haben wir dafür einen Bedarf. 

Das Thema E-Sport wurde in der jüngeren Vergangenheit kontrovers diskutiert. Inwieweit spielt dieses Thema für Sie eine Rolle für die künftige Ausrichtung des Landessportverbandes?
König
: Wir werden nach der zweiten Jahreshälfte das Thema nochmals aufgreifen müssen, zumal im öffentlichen Raum und in der Politik Strukturen ermöglicht werden, welche der LSVS nicht ignorieren kann. Es wird Aufgabe aller sein, neben den Unverträglichkeiten auch die Chancen für unsere Vereine herauszufinden. Hierbei kann uns das hier ansässige Sportwissenschaftliche Institut sicher Hilfestellungen erarbeiten.

Sie haben also viel vor in nächster Zeit.
König
:  Ja. Egal worum es geht – am Anfang eines jeden Plans stehen Ideen. Nicht die gefühlten oder befürchteten Kosten, die ein Projekt sofort verhindern. Am Anfang stehen immer die Ideen. Dann muss man schauen, was der Bestand hergibt, und zusehen, wie die Ideen konkretisiert werden können. Dabei gilt es auch auszuloten, wer noch von der Umsetzung profitieren könnte. Vielleicht gelingt es ja, die Stadt, das Land oder den Bund ins Boot zu bekommen? Meine Erfahrung sagt mir: Wenn man die richtigen Ideen hat, kommt immer etwas Sinnvolles dabei heraus.

Wie zufrieden sind Sie denn mit der Arbeit der neuen Vorstände bisher? Ihre Probezeit endet am 30. April. Der Aufsichtsrat muss dann entscheiden, ob er mit beiden weiterarbeiten wird.
König
: Wir haben die Kandidaten ja ausgewählt, weil sie für die genannten Herausforderungen hervorragend geeignet sind. Es war das erste Verfahren dieser Art mit einer bundesweiten Ausschreibung. Und dabei haben sich die beiden Vorstände gegen alle Mitbewerberinnen und Mitbewerber durchgesetzt. Die Rückmeldung der Fachverbände, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und auch der Öffentlichkeit ist bisher durchaus positiv. Das entspricht auch meiner Wahrnehmung. Die Entscheidung trifft der Aufsichtsrat aber erst Ende April und nicht vorher.

Welche Rolle kommt Ihnen zu, wenn die Probe- und Einarbeitungszeit abgeschlossen ist?
König
: Zurzeit befinden wir uns wöchentlich im Dialog, das soll später reduziert werden. Als Präsident des LSVS ist es meine Aufgabe, auch nach Ende der Probezeit über alle Entwicklungen auf dem Laufenden zu bleiben. Der Aufsichtsrat wird, wie bisher, in Sitzungen seinen gesetzlichen Aufgaben nachkommen. Wichtig ist, dass wir schnellstmöglich von dem alten Grundsatz „Verwalten und Repräsentieren“ zu dem neuen Ansatz „Gestalten und Kontrollieren“ kommen.

Vielen Dank für das Gespräch, Herr König.

Interview: Sebastian Zenner