Sportheimat im LSVS

SaarSport-Magazin, Sportheimat, LSVS

Hier spielen die Themen Teilhabe, Integration und Antidiskriminierung eine große Rolle.

2014 begann Simon Kirch als Einzelkämpfer und mit schmalem Budget, das Gebiet der Förderprojekte im Landessportverband (LSVS) zu bearbeiten. Inzwischen leitet der frühere 400-Meter-Läufer das Referat „Sportheimat“ mit insgesamt 13 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die nahezu komplett aus Bundesmitteln finanziert werden. Der Eigenanteil des LSVS an den Kosten ist äußerst gering. Das Budget beträgt derzeit bis zu 750.000 Euro pro Jahr, von denen ein Großteil direkt an saarländische Vereine fließt. Das Referat koordiniert und bündelt die unterschiedlichen Töpfe und Kompetenzen für sämtliche Förderprogramme auf Bundes- und Landesebene und kann so die saarländischen Vereine bei der Beantragung unterstützen.

„In erster Linie geht es dabei um Projekte im sozialen Bereich“, sagt Kirch und erklärt: „Hier spielen die Themen Teilhabe, Integration und Antidiskriminierung eine große Rolle. Der Bedarf in der Gesellschaft, aber auch die Zahl der Förderprogramme ist immer größer geworden und somit sind auch wir als Referat gewachsen.“ Derzeit betreut das Team sechs Projekte, davon vier größere mit je mindestens anderthalb zugewiesenen Stellen. Die Crux: Die Stellen sind an die jeweiligen Projekte gekoppelt, nur Kirch darf projektübergreifend arbeiten und koordinieren. „Wir versuchen natürlich, die Arbeitsstellen sinnvoll auf die sich thematisch nahestehenden Projekte zu verteilen“, erklärt er.

Das ursprüngliche Kernprojekt „Integration durch Sport“ existiert immer noch. Es ist eines der größten und bietet viele Anknüpfungspunkte für Vereine, weil es den Begriff der Integration weit fasst und nicht nur auf die Teilhabe von Menschen mit Migrationshintergrund abzielt. Das Erfolgsrezept: „Dieses Projekt kommt vielen unterschiedlichen Gruppen zu Gute und alle profitieren davon“, fasst Kirch zusammen. Ein junges, aber ungleich größer angelegtes Projekt heißt „AUF!leben – Zukunft ist jetzt“. Es wurde von der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung (DKJS) ins Leben gerufen und wird im LSVS von Projektkoordinatorin Annabell Schäfer, Aaron Wollscheid und Marion Schmidt betreut. Es richtet sich an alle Vereine, die im Kinder- und Jugendbereich tätig sind, und schüttet bundesweit bis zu 100 Millionen Euro aus. So sollen nicht nur Vereine im Sport, sondern auch aus dem kulturellen- und gesellschaftlichen Bereich in ihrer Nachwuchsarbeit dahingehend unterstützt werden, dass sie nach dem Ende der Pandemie und dem damit verbundenen Stillstand wieder „aufleben“ können. Den Vereinen im Saarland konnten Kirch und Co. helfen, schon jetzt rund 900.000 Euro aus diesem Bundestopf zu bekommen.

Ein Problem, vor dem viele Vereine bei der Anmeldung zu solchen Förderprojekten stehen, ist die Komplexität der Anträge. Der Aufwand für richtige, also aussichtsreiche und genehmigungsfähige Anträge wird darüber hinaus oft unterschätzt. Nicht selten umfassen diese über 50 oder mehr Seiten und verlangen Kenntnisse und Fähigkeiten, die für Laien – noch dazu ehrenamtlich – nicht ohne Weiteres zu bewerkstelligen sind. Hinzu kommen weitere Pflichten wie das Verfassen von Stellungsnahmen, Zwischenberichten, Zwischenanträgen sowie das Erbringen von Nachweisen und Abrechnungen. Vielmehr brauche es eine feste, administrative Struktur, um die Beantragung und mit den Projekten einhergehende Auflagen leisten zu können. „Für jemanden, der das zum ersten Mal macht, ist das recht kompliziert. Auch, wenn es sich richtig lohnt“, weiß Kirch, „Wenn sich so etwas einspielt, geht das leicht von der Hand und man weiß schon, worauf es ankommt. Für uns ist so ein Antrag quasi eine Standardaufgabe.“

Eine Vereinfachung des Prozederes allein, wie sie beispielsweise bei dem niederschwelligen Beantragung zur Teilnahme an AUF!leben umgesetzt wurde, reiche allerdings nicht aus, weiß Simon Kirch: „Gemessen an anderen Bundesländern gibt es im Saarland sehr viele Vereine, aber leider auch viele Kleinstvereine, die durch den Schwund an Ehrenamtlichen kaum noch handlungsfähig sind“, stellt er fest. Ehrenamtliche zu finden, die diesen Aufwand in ihrer Freizeit und ohne Bezahlung stemmen, ist in Zeiten des Rückgangs der Anzahl ehrenamtlicher Helferinnen und Helfer in den Vereinen schwierig.  Auch die zuständigen Dachverbände haben keine oder nur wenige Angestellte und oft auch keine finanziellen Mittel, sich professionelle Hilfe in diesem Bereich leisten zu können. Paradox, dass sich Vereine finanzielle Unterstützung offenbar nicht leisten können.

Doch genau an dieser Stelle kommt das Referat Sportheimat im LSVS ins Spiel. „Wir haben Stellen, die extern finanziert werden und die nichts anderes tun, als den Vereinen bei der Beantragung und auch der weiteren Dokumentation zu helfen“, betont Simon Kirch. Darüber hinaus sieht er noch viel Vermarktungspotenzial im saarländischen Breitensport: „Der Sport hat im sozialen Bereich einen sehr hohen Stellenwert. Die großen, karitativen Träger nutzen den Sport beispielsweise mit Fußballturnieren, Kletterangeboten oder Erlebnispädagogik gerne, um die jungen Menschen zu erreichen“, erklärt er und stellt fest: „Der Sport selbst tut dies noch relativ selten – andere sind also an manchen Stellen besser darin, den Sport zu vermarkten, als der Sport selbst. Dabei liegen diese Gelder fast schon auf der Straße.“ Viele Akteure hätten schon früh erkannt, wie wichtig der Breitensport als letztes Lagerfeuer der Gesellschaft gerade im ländlichen Raum ist. Nur der Sport selbst nicht?

„Für das alles, was er leisten soll, ist der Sport im Saarland, trotz Sportachtel, völlig unterfinanziert. Ich sage immer: Der Sport ist zu billig. Er müsste mal damit anfangen, günstig zu werden“, stellt Simon Kirch klar und führt aus: „Es geht nicht darum, dass Ehrenamtliche plötzlich Geld bekommen sollen oder dass Vereine Gewinn erwirtschaften sollen. Es geht nur darum, dass das, was geleistet wird, finanziert wird – also dass die entstandenen Auslagen wieder reinkommen. Das gelingt einem ehrenamtlichen Sportverein nicht.“ Dem organisierten Sport würden von uns allen immer mehr gesamtgesellschaftliche Aufgaben übertragen, die nicht angemessen gegenfinanziert werden. Manch gutgemeinte Mittel, mit denen Kommunen finanzschwachen Vereinen entgegenkommen, führen sogar zu gegenteiligen Effekten: „Ein Beispiel: Da kostet den Verein eine Stunde in der Turnhalle sechs Euro. Das ist reicht hinten und vorne nicht für die Instandhaltung. Eigentlich müsste die Halle ein Vielfaches kosten und der Verein problemlos in der Lage sein, die auch zu bezahlen“, sagt Kirch.

Das Saarland ist ein Vereins- und ein Ehrenamtsland, sogar das stärkste bundesweit. „Deshalb fände ich es schön, wenn wir einen Beitrag dazu leisten könnten, dass Vereine das sie auszeichnende soziale Leben durch unsere Hilfe etwas besser gestalten können. Ganz konkret dadurch, dass ihnen mehr finanzielle Mittel zur Verfügung stehen“, sagt Kirch. Allein dies sei schon ein großer Anspruch an sich und sein Team, aber er wünscht sich noch mehr: „Es wäre auch toll, wenn wir die Verbände durch die Beantragung von Fördermitteln dahingehend unterstützen könnten, dass sie ihre Strukturen ein Stück weit professionalisieren und hauptamtliche Stellen schaffen können.“ Dabei gehe es nicht darum, das Ehrenamt durch Hauptamt zu ersetzen, sondern darum, dass das Ehrenamt in den Vereinen mit dem Hauptamt in den Verbänden kooperiert. „Damit die Ehrenamtlichen nicht weiterhin Dinge tun müssen, die man nicht von ihnen verlangen darf“, betont Kirch und schiebt nach: „Viele Anforderungen sind inzwischen für Ehrenamtliche einfach zu hoch, das reine Ehrenamtsmodell ist ein Auslaufmodell.“ Oder mit Blick auf die sinkende Zahl der Ehrenamtlichen besser: Ein Weglaufmodell. „Die Umwelt hat sich verändert, aber die Strukturen des organisierten Sports sind stehengeblieben und damit aus der Zeit gefallen“, findet Simon Kirch.

Um diese Dysbalance zwischen Leistung für die Gesellschaft und Leistungen von der Gesellschaft wieder auszugleichen, bräuchte erhebliche Investitionen. Durch die Bündelung der Förderprogramme möchte Simon Kirch mit seinem Team seinen Teil dazu beitragen, dass diese von den Sportvereinen selbst mitgestaltet und finanziert werden können. Um diese Entwicklung einzuleiten, wünscht sich Simon Kirch für sein Referat vor allem eines: Mehr Projekte, mehr Fördermittel und Konstanz im Bereich der Mitarbeitenden. Gemäß der Ausgestaltung und Laufzeiten der unterschiedlichen Förderprogramme erfolgt die Personalisierung flexibel, also zeitlich befristet. „Wünschenswert wäre ein administrativer Kern mit festen, projektübergreifenden Zuständigkeiten beispielsweise für Bilanzen und Öffentlichkeitsarbeit“, sagt Kirch, der in seiner Arbeit nicht nur die Weiterleitung von Fördermitteln sieht, sondern auch nachhaltige Vereinsentwicklung und Verbandsentwicklung im sozialen Bereich, verbunden mit der langfristigen Strategie und Perspektive des LSVS: „So hätten wir auch die Möglichkeit, Synergien zu schaffen und durch einen überschaubaren Mehraufwand auf Dauer ungleich größeren Benefit zu generieren.“ Der wiederum käme letztlich den Vereinen und somit dem gesamten Saarsport zu Gute.