Behindertensport liegt Jost besonders am Herzen

SaarSport-Magazin

Seit 2022 ist Reinhold Jost Minister für Inneres, Bauen und Sport im Saarland. Zuvor war der 55-Jährige Minister für Umwelt und Verbraucherschutz (2014 bis 2022) und Minister der Justiz (2014 bis 2017). Seit 1999 ist der gelernte Stahlbauschlosser und Finanzfachwirt mit einer kurzen Unterbrechung Abgeordneter im Landtag des Saarlandes. Noch vor der ersten Klausurtagung der Regierung sprach Jost, der mit seiner Frau zwischen Siersburg und Oberwürzbach pendelt, mit der SaarSport-Redaktion über den aktuellen Stand und die Zukunft des SaarSports.

Herr Jost, was verbindet Sie ganz allgemein mit dem Sport im Saarland?

Reinhold Jost: Ich habe den Sport in den letzten Jahrzehnten an der einen oder anderen Stelle etwas entfernt erlebt, aber an wenigen Stellen auch sehr nahe empfunden und auch gelebt. Entfernt mit Blick auf große Sportereignisse, denen ich beigewohnt habe – beispielsweise das Rehlinger Pfingstsportfest oder der Besuch von Wettkämpfen der TG Saar, der HG Saarlouis oder der Saarlouis Royals. Die wenigsten wissen allerdings, dass ich seit über zwanzig Jahren vor allem dem Behindertensport verbunden bin. So bin ich seit Anfang der 2000er-Jahre Vorsitzender der Behindertensportgruppe Siersburg.

Wie kam es dazu?

Jost: Ich hatte einst meinem leider viel zu früh verstorbenen Freund Peter Ludes aus Itzbach versprochen, mich um „seine“ BSG zu kümmern, wenn er einmal nicht mehr da sein würde. Das habe ich dann auch gemacht und daher rührt auch meine besondere Zugänglichkeit zum Thema Behinderten- und Rehasport.

Werden Sie in diesem Bereich auch einen Schwerpunkt Ihrer Arbeit als Sportminister setzen?

Jost: Ja, aber ich werde mich auch in der Spitzensport- und Breitensport-Förderung engagieren.
Ähnlich wie mein Vorgänger Klaus Bouillon – mit Blick auf den Behindertensport vielleicht sogar etwas stärker. Der Respekt, den ich in den vergangenen 20 Jahren vor den Leistungen behinderter Menschen habe aufbauen können, ist sehr groß. In meiner Funktion als Sportminister habe ich die Möglichkeit, dem Nachdruck zu verleihen.

Wie sehen Sie den Behindertensport im Saarland aufgestellt?

Jost: Ich denke, mit Spitzensportlerinnen und -sportlern wie der Biathletin Johanna Recktenwald, den Nicoleitzik-Schwestern in der Leichtathletik oder den Boccia-Assen Boris Nicolai und Anita Raguwaran haben wir absolute Aushängeschilder, die schon auf internationalem Parkett, teilweise bei den Paralympics, Erfolge eingefahren haben. Ich bin auch froh, dass wir mit dem Behinderten- und Rehabilitationssportverband Saarland und dem Special Olympics Landesverband schon gute Strukturen haben – die ich aber gerne noch ein Stück weit besser machen möchte.

Waren oder sind Sie selbst in einer bestimmten Sportart aktiv?

Jost: Ich habe früher in der Jugend eine Zeit lang beim FV Siersburg Fußball gespielt, später bin ich viel gelaufen und habe auch schon mal im Fitnessstudio „auf Masse“ trainiert. Im Rahmen des Betriebssports der Finanzverwaltung des Saarlandes hatte ich Badminton gespielt und tatsächlich auch beim Drachenbootfahren mitgemacht. Leider musste ich das angesichts der Zunahme an beruflichen Terminen irgendwann aufgeben.

Wie bewerten Sie den Status quo des SaarSports?

Jost: Nach den Turbulenzen der vergangenen Jahre ist der SaarSport wieder in ruhigen Gewässern angekommen und wir können uns endlich wieder darüber Gedanken machen, was schon ganz gut läuft, was wir stärken können und wo es noch Defizite gibt, die behoben werden müssen. Um bei dem Beispiel des Behindertensports zu bleiben: Hier habe ich das Gefühl, dass wir gar nicht richtig wahrnehmen, welche tollen, geradezu herausragenden Ergebnisse unsere saarländischen Sportlerinnen und Sportler hier einfahren. Ganz aktuell sind Anfang Mai Boris Nicolai und Anita Raguwaran als Sieger des dortigen Para-Boccia-Weltcups aus Rio de Janeiro zurückgekommen. Das war dem Saarländischen Rundfunk eine kleine Meldung wert – und damit hatte es sich dann auch. Ich bin der Meinung, dass wir solche Erfolge auch im Interesse derer, die sie einfahren, selbstbewusster nach außen darstellen können.

Inwiefern hat sich Ihrer Meinung nach die Corona-Pandemie auf den SaarSport ausgewirkt?

Jost: Die hat natürlich ihre Spuren hinterlassen. Deshalb wurden ja schon von der großen Koalition verschiedene Hilfsprogramme auf den Weg gebracht, um bestimmte negative Entwicklungen abzuschwächen oder zu stoppen. So konnten Vereine dabei unterstützt werden, jetzt wieder durchstarten zu können. Jetzt gilt es, diejenigen, die während der Pandemie ausgestiegen sind, wieder zurückzugewinnen. Dabei ist darauf zu achten, dass die ehrenamtlichen Strukturen wieder gestärkt werden und diejenigen, die sich engagieren, wieder das Gefühl haben können, dass ihre Arbeit wertgeschätzt wird und ihnen nicht nur Steine in den Weg gelegt werden – auf gut Saarländisch: Wir müssen sie „eschtamieren“, also wertschätzen, damit sie ihre gesellschaftlich wichtige Arbeit auch weiter fortsetzen werden.

Dies betrifft ja in erster Linie den Breitensport. Wie bewerten Sie den Zustand des Spitzensports im Saarland?

Jost: Hier hat sich in den vergangenen Jahren ja leider Gottes einiges aus dem Saarland wegbewegt. Deshalb wird einer meiner ersten Termine in dieser neuen Amtszeit Mitte Mai mit dem LSVS-Präsidenten Heinz König stattfinden. Mit ihm möchte ich mich intensiv austauschen, die vom LSVS bereits erarbeiteten Konzepte anschauen und bewerten und insbesondere die Rahmenbedingungen der Athletinnen und Athleten im Saarland auf den Prüfstand stellen. Es muss uns gelingen, Spitzensportlerinnen und -sportler wie auch Spitzentrainerinnen und -trainer hier zu halten und zu uns zu ziehen. Dafür braucht es eine moderne Infrastruktur und ein regelrechtes „Wohlfühlpaket“für die Tätigkeit an der Landessportschule. Denkbar wären en sprechende Verschränkungen mit Jobperspektiven und Ähnliches. Schon heute arbeiten ja viele frühere Spitzensportlerinnen und -sportler für uns und wurden auch während ihrer Karriere vom Land begleitet. Ich bin mir darüber im Klaren, dass hier noch ein paar größere Baustellen auf mich warten, aber wir müssen nirgends bei null anfangen, sondern können Erfolgreiches fortführen und dort, wo Nachsteuerungen notwendig sind, diese auch vornehmen.

Braucht das Saarland Ihrer Meinung nach eine repräsentative Sportstätte, in der vielleicht auch kulturelle Events mit überregionaler Strahlkraft ausgetragen werden können?

Jost: Hier muss man ehrlich sein: Für große Sport-Events, die wir andernorts neidvoll erleben, ist das Saarland derzeit infrastrukturell nicht gut genug aufgestellt. Das heißt nicht, dass wir hier in einem beklagenswerten Zustand wären. Wir haben beim Ludwigsparkstadion in Saarbrücken nach einer sehr langwierigen und manchmal auch sehr schwierigen Diskussion einen Zustand erreicht, der zumindest den Ansprüchen gerecht wird, die an den Verein und das Land herangetragen und auch erwartet wurden. Auch an der Landessportschule ist in den vergangenen Jahren einiges passiert. Man muss nur zusehen, dass man das, was man hat, permanent weiterentwickelt. Viele Vereine warten nicht auf den Staat, sondern gehen selbst nach vorne und machen etwas. Dann muss der Staat aber auch in der Lage sein, dieses Engagement abzusichern – beispielsweise durch die Unterstützung der Sportplanungskommission oder die Anmietung und Nutzung durch Schulen und Ähnlichem. Das sind allerdings Insel-Lösungen.

Wie sieht es mit einer großen Lösung aus?

Jost: Sie meinen so etwas wie eine neue Saarlandhalle, die ja in den 1970er-, 1980er- und bis in die 1990er-Jahre so etwas wie das Nonplusultra war und anderen Städten als Vorbild diente. Allerdings hat sich die Welt drumherum weiterentwickelt und die Saarlandhalle ist stehen geblieben und in der Zwischenzeit haben Bauwerke wie beispielsweise die SAP-Arena in Mannheim andere Maßstäbe gesetzt. Wir müssen uns das Thema noch einmal genauer anschauen und auch mit den kommunalen Vertreterinnen und Vertretern vor Ort ins Gespräch kommen. Klar ist: Wenn man so etwas macht, muss es für das ganze Land gelten und darf keinen kommunalen Überbietungs-Wettbewerb nach sich ziehen. Es braucht ein von allen akzeptiertes Sportstätten-Konzept mit einem multifunktionalen Ansatz. Wir brauchen jetzt keine SAP-Arena 2.0, eher etwas Kostengünstigeres und Funktionaleres.

Eine günstige Gelegenheit, ein solches Großprojekt anzugehen, könnten die Olympischen Spiele 2024 in Paris bieten. Der LSVS möchte dieses Mega-Event in direkter Nachbarschaft jedenfalls dazu nutzen, den Sportstandort Saarland weltweit in Szene zu setzen. Auch das Land könnte davon profitieren und die Aufmerksamkeit für solche Projekte nutzen.

Jost: Wir würden jedenfalls einen Riesenfehler begehen, wenn wir dieses Event untätig an uns vorbeiziehen lassen würden. Wir können hier einen großen Mehrwert für unser Land generieren – nicht nur im sportlichen Bereich, sondern auch im Tourismus. Und das nicht nur im Jahr 2024, sondern darauf aufbauend auch für die folgenden Jahre. Sie können sicher sein, dass sich das Saarland mit einer ehemaligen Spitzen-Leichtathletin als Ministerpräsidentin diese Chance nicht durch die Lappen gehen lässt. Ich bin sehr froh, schon einige sehr interessante Konzepte gesehen zu haben – dazu gehört auch das des LSVS –, auf die wir in den kommenden Gesprächen aufbauen können. Eine der ersten Arbeitsgruppen, die ich im Rahmen der ersten Klausurtagung der neuen Regierung mit initiiere, wird sich genau damit und auch mit dem Ausloten der finanziellen Möglichkeiten hierfür beschäftigen.

Schon vor der Corona-Pandemie wurden Probleme diskutiert, die nicht nur den Sport, sondern die gesamte Gesellschaft betreffen. Beispielsweise wurden in einer Zeit, in der immer weniger Kinder schwimmen können, öffentliche Bäder geschlossen. Die für den Schulsport veranschlagte Zeit reichte vielerorts nicht aus, um Badestätten in anderen Ortschaften anzufahren. Werden Sie sich als Sportminister auch mit dem Thema Schulsport befassen?

Jost: Am Ende sind wir ja alle dafür zuständig, die Rahmenbedingungen so zu optimieren, dass möglichst viele Kinder – und zwar unabhängig von den Angeboten in den Kitas, Schulen und Vereinen – sich bewegen und Sport treiben, um von den ja gemeinhin bekannten positiven gesundheitlichen Effekten zu profitieren. Ich werde mit meiner Kollegin, Bildungsministerin Christine Streichert-Clivot, darüber sprechen, wie wir das organisieren können.
Wir wissen ja jetzt schon, dass durch die Veränderung der Schullandschaft mit mehr Ganztagsschulen am Ende auch weniger Freizeit übrig bleibt, in der die Kinder ihrer sportlichen oder auch kulturellen Neigung nachgehen können. Wir müssen uns gemeinsam anschauen, wie wir das zusammenbringen. Ich war 27 Jahre lang Ortsvorsteher von Siersburg und weiß daher, wie wichtig die Zusammenarbeit von örtlichen Akteuren, also Schulen, Vereinen und Institutionen, ist und wie viel Wertvolles daraus für alle Beteiligten entstehen kann. Ich weiß, dass auf meine Kollegin aus vielen Richtungen Anregungen kommen, was alles noch in den Lehrplänen Platz finden müsse, aber ich habe nicht den Eindruck, dass es uns zu schwerfallen würde, dies beim Thema Sport auch zu begründen.

Ein Thema, das ebenfalls in erster Linie junge Menschen betrifft, ist der sogenannte E-Sport. Auch hier gab es bereits vor der Pandemie diverse Diskussionen – insbesondere um den Sportbegriff und auch die Förderwürdigkeit dieses immer größer werdenden Marktes. Wie stehen Sie zum Thema E-Sport?

Jost: In den einzelnen Fachverbänden und auch bis hin zu Beschlusslagen beim Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) wird kontrovers diskutiert, was unter dem Begriff überhaupt zu verstehen ist. Um es mal salopp zu formulieren: Vor einem Bildschirm zu hocken und zu daddeln hat nichts mit dem zu tun, was ich unter Sport verstehe. Natürlich gibt es inzwischen auch virtuelle Plattformen und Sportarten, die den Namen auch verdienen, also bei denen auch Bewegung eine wichtige Rolle spielt. Ich denke da an Radfahren und Ähnliches, bei denen es virtuelle Wettkämpfe gibt. Hier findet also eine permanente Neubewertung und Ausdifferenzierung statt, die aber auch schon vorgenommen wird – beispielsweise vom DOSB. Hier möchte ich mir aber künftig ein genaueres Bild verschaffen.

Vielen Dank für das Gespräch, Herr Jost.