Zukunftsorientierte Vereinsführung

Haben Sie es schon einmal bewusst wahrgenommen: In jeder Vorstandssitzung wird Zukunft gestaltet.

Mit jeder Entscheidung die getroffen wird legt man sich für den nächsten Tag, die nächste Wettkampfphase oder z. B. bei der Investition in Vereinsimmobilien über 30 Jahre fest. Erfolgreiche Vereinsführung ist sich dieser Zukunftsperspektive bewusst und gestaltet die Vereinszukunft aktiv. Das ist aber nicht einfach, denn Zukunft bedeutet auch Unsicherheit und Risiko.
 

Zukunft ist spannend und unsicher

Entwicklungen für den Sportverein können angestoßen, vorangetrieben, gebremst oder verstärkt werden. Mit einer guten Idee zur Gestaltung des Vereinsangebotes kann sich das Ansehen des Vereins massiv erhöhen, neue Mitglieder können gewonnen werden.  

Es gibt aber auch die andere Seite der Zukunft, sie birgt Risiken. Diese sind nie ganz auszuschließen. „Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben.“ ist eine bekannte Aussage zum Umgang mit Zukunft. Verpasste Chancen oder falsch gestellte Weichen für die Ausrichtung des Vereins sind Gefahrpunkte für die künftige Lebensfähigkeit des Sportvereins bis hin zu seinem Untergang.

Die große Tücke der Zukunft ist die Unsicherheit über künftige Entwicklungen. Vergangenheitsdaten wie Mitgliederzahlen oder Wirtschaftszahlen der letzten Jahre helfen dabei nicht viel. Sie können v. a. Fragen für die Zukunft aufwerfen. Beispiele: Wie wollen wir mit dem Mitgliederrückgang umgehen? Ist der Mitgliederzuwachs in der Abteilung stabil? Auf welche Investitionen für die Instandhaltung der Sportanlage müssen wir uns in den nächsten Jahren einstellen? Diese Fragen richten den Blick auf die Zukunft und die Entwicklung des Vereins. Das gerne zu hörende Jammern über die Schrumpfung der Mitgliederzahl oder den schlechten Zustand der Umkleiden ist nicht sonderlich hilfreich.

Zufälle, Risiken, Maßnahmen anderer Vereine oder Akteure können immer wieder Überraschungen produzieren. In dem Umgang mit dieser Unsicherheit liegt die eigentliche Herausforderung für die Vereinsführung. Sie erfordert Gespür für Risiken, Mut diese anzugehen und nicht auf Besserung zu warten. Hilfreich ist eine gute Strukturierung der Führungsarbeit. Jeder kennt seinen Arbeitsbereich und verfolgt wach die Entwicklungen, die offene Teamarbeit im Vorstand ist ein weiteres Element.

Die nächste Herausforderung liegt darin, dass gute zukunftsorientierte Vereinsführungsarbeit auch von den Mitgliedern mitgetragen werden muss. Die häufig anzutreffende Mischung aus aktiven, traditionsorientierten und am Vereinsleben interessierten und lediglich an spezifischen Vereinsangeboten interessierten Mitgliedern bedeutet eine Herausforderung an die Vermittlung von Entscheidungsbedarf und Vereinskommunikation.

 

Ein Gefühl für zukünftige Entwicklungen bekommen

In die Glaskugel schauen hilft erfahrungsgemäß nicht viel. Also müssen andere Wege gefunden werden, um Hinweise zu bekommen, was künftig für den Verein wichtig sein wird. Beispiele:

  • Künftige Bevölkerungsentwicklung (potenzielle Mitglieder): Projektionen für das Einzugsgebiet des Vereins (Kommunales statistisches Amt, wegweiser-kommune.de)
  • Sportartenentwicklung: Entwicklung der Mitgliederzahlen und eventuell Perspektive für neue Angebote.
  • Mitarbeiter: Amtsdauer, Abfrage der Verweildauer, Nachwuchssituation
  • Finanzen: Politische Diskussionen um Sportförderung (Land, Kommune), Fördermittelsituation der Verbände (Tageszeitung, Newsletter, Internetseiten), Veränderung im wirtschaftlichen Umfeld, Unternehmensentwicklungen (Tageszeitungen)
  • Sportstätten: Lebenszyklusanalyse über die eigenen Sportstätten, Veränderung von Vorschriften (eigene Analyse, Verbandsinformationen)
  • Gesetzliche Veränderungen (Tageszeitung)

Diese Beispiele machen schon deutlich, es gilt in verschiedenste Richtungen aufmerksam zu sein. Sehr hilfreich dabei ist, wenn verschiedene Personen des Vereins auf kommunaler Ebene in Gesprächsnetzwerken eingebunden sind und so schon frühzeitig wichtige Diskussionen aufnehmen können.

 

Systematik bei der Strategie-Erarbeitung

Die bewusste Ausarbeitung der Entwicklungsroute für den Verein kann man als Strategie bezeichnen, mit ihr soll die Zukunftsfähigkeit gesichert werden. Dabei ist die Zukunft in verschiedenen Reichweiten zu beachten:

  • kurzfristig für die nächsten Wochen bis zu 6 Monaten,
  • mittelfristig für z. B. ein Vereinsjahr und
  • langfristig für eine Spanne von 5 bis 10 Jahren.

Klar - nicht bei jeder Vorstandssitzung setzt man sich hin und denkt über die nächsten 10 Jahre nach. Aber es macht Sinn einmal einen ersten Ausgangspunkt zu markieren, um eine solche Zukunftsperspektive zu erarbeiten und diese wird dann z. B. jährlich auf wichtige Veränderungen und Auswirkungen überprüft und bei Bedarf angepasst.

Das geht nur abseits der normalen Vorstandssitzungen, es gilt, sich Zeit zu nehmen, die Situation und die Rahmenbedingungen der Vereinsentwicklung zu erörtern und dann passende Leitgedanken für die nächste Zeit zu erarbeiten. 

Für diesen Einstieg bietet sich eine Klausurtagung an, die zur Durchführung einer Zukunftswerkstatt für den eigenen Sportverein genutzt wird. Eine Gruppe von interessierten Mitarbeitern und Mitgliedern des Vereins trifft sich für z. B. Freitagnachmittag bis Sonntagmittag an einem angenehmen Ort für die gemeinsame Arbeit. Die Zukunftswerkstatt beruht im Kern auf 5 Phasen:

  • Einstimmung: Vereinbarung der Zielperspektive für die gemeinsame Sitzung, gegenseitiges Kennenlernen soweit dies nicht schon aus dem Verein gegeben ist, Abstimmung des Arbeitsplanes und der Spielregeln für das konstruktive Miteinander.
  • Kritikphase: Die als nicht gut betrachteten Entwicklungen des Sportvereins werden aus den verschiedenen persönlichen Perspektiven gesammelt und systematisiert. Hierzu bietet sich ein Vorgehen nach der Moderationsmethode und die Nutzung von Moderationskärtchen an. Leitfrage könnte z. B. sein: „Was hat uns in den letzten Jahren in unserem Sportverein nicht/weniger gefallen?“ Es kann sinnvoll sein, ergänzend die positiven Punkte der Vereinsentwicklung zu sammeln, damit die Betrachtung an der Stelle nicht zu negativ ausgerichtet ist. Wichtig ist aber insgesamt Offenheit und ein selbstkritischer Umgang mit dem eigenen Verein, es nützt niemandem, wenn hier nur Stichworte aus Sonntagsreden wiedergegeben werden.
  • Utopiephase: Das „Spinnen“ - unvoreingenommen den eigenen „Traum“-Verein z. B. 2030 entwerfen. Eine kreative Herausforderung mit viel Potenzial für das Einbringen guter Ideen.
  • Verwirklichungsphase: Nun gilt es die Ideen zu einem Zukunftskonzept zu verdichten und die Machbarkeit der kreativen Ideen zu prüfen. Wenn eine Idee mehrheitlich als interessant betrachtet wird, jedoch nicht direkt umsetzbar erscheint ist diese nicht auszusortieren. Es geht darum, einen gangbaren Weg zu finden, wir man möglichst nah an die Idee herankommen kann.

Eventuell ist es notwendig, Arbeitsaufträge für Fachleute abzustimmen, um einzelne Ideen zu überprüfen. 

Es ist auf jeden Fall sinnvoll, sich für eine solche Veranstaltung einen externen Moderator dazu zu holen. So können sich alle beteiligten Mitglieder des Vereins voll auf ihre Expertenrolle konzentrieren und die Ablaufgestaltung und Sorge für die Protokollierung bleibt einem Spezialisten.

 

Die Mitglieder mitnehmen

Wie schon angesprochen, ist es ein wichtiges Merkmal des Sportvereins, dass die Mitglieder letztlich über seine Zukunft zu entscheiden haben. Wenn nun bei einer solchen Klausurtagung ein guter Querschnitt der Vereinsmitglieder beteiligt war, besteht eine gute Chance, dass die Mitglieder schon einmal ein wenig mit den Themen in Kontakt kommen. Die entsprechende Vereins-Öffentlichkeitsarbeit tut ein Übriges. Letztlich kann sogar eine kleine Videodokumentation zu dem Thema „Vereinszukunft“ bzw. über die Klausurtagung auf der Internetseite präsentiert werden.

Wichtig sind die Signale, dass es um die Zukunft des Vereins geht, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einen großen Teil ihrer Freizeit für diese wichtige Aufgabe aufgewendet haben und dass es eine konstruktive Arbeit war. Dennoch muss der Spaß nicht zu kurz kommen.

 

Autor: Prof. Dr. Ronald Wadsack, Salzgitter